0110 - Zargos, der Dämon
Lavender?«
»Einverstanden.«
»Ich rufe nur noch Jane an und fahre los.« Ich deutete auf das Telefon.
»Vielleicht könnte Shao hierbleiben, falls sich der Yard meldete. Oder hat sie etwas vor?«
»Ich werde sie fragen«, versprach Suko.
Drei Minuten später sagte er mir Bescheid, daß Shao gern Telefondienst machte. Ich wünschte ihm viel Glück und rief Jane Collins an. Hoffentlich war sie überhaupt zu Hause, das regnerische Herbstwetter lud zwar nicht gerade zu einem Spaziergang oder einer Ausfahrt ein, aber man konnte nie wissen. »Hallo!« Jane war zu Hause.
»Hallo, Darling!« Ich streckte lächelnd die Beine von mir und stellte mir Janes rassiges Gesicht und ihre tolle Figur vor, dazu die goldblonden Haare und ihre schicken, stets der neuesten Mode entsprechenden Kleider. »Hast du mich vermißt?«
»Nein«, antwortete sie mit entwaffnender Ehrlichkeit. »Ich habe mich wunderbar ausgeschlafen und prachtvoll in Ruhe gefrühstückt.«
»Das hättest du auch mit mir zusammen tun können«, meinte ich ernüchtert.
»In Ruhe frühstücken? Daß ich nicht lache, John!«
»Wieso?« fragte ich verdutzt. »Ich habe heute auch in Ruhe gefrühstückt, ganz allein sogar.«
»Ja, eben!« Ihr helles Lachen drang durch das Telefon an mein Ohr und umschmeichelte mich. »Allein! Aber wären wir zusammen gewesen, wäre es mit der Ruhe bald vorbei…«
»Hör bloß auf!« rief ich lachend, obwohl ich genau wußte, daß sie recht hatte. Jane und ich waren befreundet, und mit einer solchen Frau in einem Raum zu frühstücken war eben immer eine Versuchung. »Was hast du heute vor? Hast du Zeit?«
»Wenn du so fragst, hast du einen neuen Fall, John«, stellte sie nüchtern fest. »Tut mir leid, aber ich habe vor einer halben Stunde einem Klienten zugesagt. Eine einfache Sache. Ich soll eine untreue Ehefrau mit dem Ehemann versöhnen. Dafür streiche ich eine schöne Stange Geld ein, auch wenn es nicht klappt.«
»Na, dann viel Glück«, wünschte ich ihr enttäuscht. Der unangenehmste Fall bekam angenehme Seiten, wenn Jane mitmischte.
»Übernimm dich nur nicht. Lohnt sich der Seitensprung wenigstens?«
»Wie?« fragte sie verständnislos und lachte, als sie begriff, was ich meinte. »Ja, der Junge sieht blendend aus. Neunzehn Jahre alt, Tennischamp. Ich kann die Ehefrau gut verstehen.«
»Gib mir keinen Grund zur Eifersucht«, mahnte ich. »Obwohl ich, wie du weißt, nicht eifersüchtig bin.«
Daraufhin brach Jane in schallendes Gelächter aus, und sie lachte auch noch, als wir das Gespräch beendeten.
Von meinen Kollegen im Yard hatte ich alle nötigen Auskünfte zu dem Mordfall in Stanmore erhalten. Daher wußte ich auch, wo ich den einzigen Angehörigen der toten Helen Serapho fand. Es war ein Krankenhaus in Sutton, das schon einige Meilen außerhalb von London lag. Um es zu erreichen, mußte ich zuerst nach Wimbledon. Von dort waren es noch zehn Minuten mit dem Wagen.
Der Bentley rollte auf einer schmalen, mit Schlaglöchern übersäten Straße zwischen leicht gewellten Wiesen dahin. Auf einigen standen bereits große Tafeln, von denen man ablesen konnte, welche Firma demnächst hier Apartmenthäuser oder ganze Stadtteile aus dem Boden stampfen wollte, London war eine Riesenstadt, und sie wuchs weiter.
Eigentlich schade, dachte ich, daß dieser Grüngürtel zerstört wurde.
Aber ich hatte im Moment andere Probleme. Das wichtigste davon war herauszufinden, wieso Helen Serapho, eine völlig durchschnittliche Hausfrau, plötzlich ein Küchenmesser nahm, damit nachts durch die ganze Stadt bis an das andere Ende fuhr, dort einen Polizisten angriff und tötete. Und ich mußte herausfinden, wieso die Ehefrau des Ermordeten behaupten konnte, sie hätte dafür gesorgt, daß ihr Mann beseitigt würde. Welche Verbindung gab es zwischen Lisa Cunning und Helen Serapho?
Das Krankenhaus in Sutton entpuppte sich als weitläufige Anlage in einem herrlichen Park. Es war früher ein Herrensitz gewesen und gehörte jetzt einer Stiftung. Viele britische Adelige, die ohne Nachkommen starben, verwandelten ihr Vermögen in Stiftungen. Unser Land hatte eine ganze Reihe wohltätiger Einrichtungen solchen Anlässen zu verdanken.
Ich verlangte nach dem Chefarzt und konnte zehn Minuten später mit ihm sprechen. Er hieß Dr. Peshora und stammte aus Pakistan.
»Eine sehr tragische Geschichte«, meinte er, während er mich mit seinen dunklen Augen durch die leicht getönte Brille musterte. »Frank hat es schon erfahren. Ihre
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