0110 - Zargos, der Dämon
Kollegen von Scotland Yard waren hier, Mr. Sinclair, und haben es ihm gesagt. Vielleicht können Sie sich vorstellen, was das für ihn bedeutet. Ein junger Mann, dreiundzwanzig. Jetzt wird er wahrscheinlich in einem Heim leben müssen. Seine Mutter wollte ihn zu sich nehmen, sobald er unser Krankenhaus verlassen kann.«
»Was fehlt denn Mrs. Seraphos Sohn?« erkundigte ich mich.
»Er hat vor einem halben Jahr bei einem Unfall in der Underground beide Beine verloren«, erklärte Dr. Peshora. »Ein Wunder, daß er überhaupt noch lebt. Seine Mutter war jeden Tag hier bei ihm. Ohne ihre Hilfe hätten wir ihn nie soweit gebracht, wie er jetzt ist. Noch ein oder zwei Monate in der Klinik, und er hätte nach Hause gebracht werden können. Und nun…«
Ich erinnerte mich an den Unfall in der U-Bahn. Er hatte damals große Schlagzeilen gemacht. Frank Serapho war auf dem Bahnsteig gestolpert und direkt vor einen einfahrenden Zug gefallen. Ich hatte nur nicht mehr gewußt, wie der Verunglückte hieß.
»Kann ich jetzt den Patienten sprechen, Doktor?«
»Selbstverständlich.«
Während wir zu der Station gingen, in der Frank Serapho untergebracht war, horchte ich den Chefarzt über Mrs. Serapho aus.
»Eine wunderbare Frau«, behauptete er. »Eine von den stillen Heldinnen, von denen man nie etwas liest oder hört.« Er sah mich kurz von der Seite an. »Meine Worte klingen Ihnen zu hochtrabend? Mr. Sinclair, diese Frau hat gelächelt, seit ihr Sohn aus der Narkose erwachte. Sie lächelte bis zu ihrem letzten Besuch, um ihm Mut zu machen. Ich habe sie nie klagen gehört, sie war nie schlecht gelaunt oder niedergeschlagen, wenn sie zu uns kam. Aber ich habe sie weinen sehen, wenn sie wegging und ihr Sohn es nicht mehr beobachten konnte. Davon liest man nie in der Zeitung. – So, da sind wir.«
Ich betrat ein helles, lichtdurchflutetes Zimmer. Auf dem Tisch stand ein Strohblumenstrauß. Neben dem Bett war eine Staffelei aufgebaut, die Farben lagen auf einem Beistelltisch. Auf einem Regal waren Bücher aufgereiht, am Fußende stand ein kleiner tragbarer Fernseher.
Das Bild flimmerte, der Ton war ausgeschaltet.
Im ersten Moment dachte ich, der blasse, weißblonde junge Mann wäre eingeschlafen, bis ich merkte, daß seine Augen geöffnet waren.
Sein Gesicht hatte einen abwesenden Ausdruck.
Dr. Peshora stellte mich vor, ohne daß Frank Serapho eine Reaktion zeigte. Ich gab dem Arzt einen Wink, und er zog sich zurück. Ich holte mir einen Stuhl heran und schaltete den Fernseher aus.
»Ich will mich mit Ihnen über Ihre Mutter unterhalten«, sagte ich laut.
Das endlich erzielte Wirkung. Frank Serapho hatte fast farblose Augen, dazu die helle Haut und die wie gebleicht wirkenden Haare.
Beinahe ein Albino. Jetzt sah er mich an.
»Sie sind von der Polizei, ja?« fragte er überraschend heftig. »Sie wollen mir auch einreden, daß meine Mutter eine Mörderin war? Sie wollen sie auch schlechtmachen? Gehen Sie! Verschwinden Sie!«
»Ich bleibe«, sagte ich fest. »Und ich sage Ihnen auch warum. Ich weiß, was wirklich geschah!«
Das gab ihm einen Ruck. Sofort lockerte sich seine feindselige Haltung.
»Ist das wahr?« fragte er hastig. Seine blassen Wangen bekamen etwas Farbe. »Ist das auch wirklich wahr, oder wollen Sie mich hereinlegen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich meine es ehrlich. Vorher beantworten Sie mir aber noch eine Frage.«
Er lehnte sich zurück und schloß die Augen.
»Trick«, sagte er matt.
»Kein Trick!« rief ich. »Wissen Sie, wer Zargos ist?«
Er runzelte die Stirn, öffnete die Augen und sah mich an.
»Aber ja, selbstverständlich«, sagte er, als müßte das jeder wissen.
»Haben Sie noch nie von Zargos gehört?«
***
Larry Hancock stand schon im Tennisdreß an der Bar des Clubhauses, als Mona Fenbright den Raum betrat. Sofort wandten sich alle Anwesenden diskret nach ihr um.
Mona Fenbright war mit ihren siebenunddreißig Jahren eine Erscheinung, die alle Blicke auf sich zog. Ihre Figur hielt sie durch strenge Diät und sportliches Training in Form. Gleichzeitig verwendete sie viel Zeit für Schönheitspflege, so daß sie rein äußerlich um zehn Jahre jünger wirkte.
Dazu kam, daß sie sich mit geschmeidiger Eleganz bewegte und mit ihrer sinnlichen Ausstrahlung die Männer reihenweise in ihren Bann zog.
Larry Hancock blickte Mona mit einem stolzen Lächeln entgegen.
Jeder im Tennisclub wußte, was zwischen ihnen beiden war. Sie hatten nie ein Geheimnis daraus gemacht. Larry sonnte
Weitere Kostenlose Bücher