0112 - Acht Minuten nach Mitternacht
aber sie gab nicht nach.
»Sie haben bereits erklärt, ich wäre Ihre Freundin und hieße Brown. Kein Mensch wird darauf kommen, wer ich wirklich bin.«
Sie quälte solange, bis ich mich einverstanden erklärte und versprach, sie abzuholen. Phil, der die Frau ja schon kannte, fuhr selbstverständlich mit. Das würde die Ausführung unserer Mission erleichtern.
Als ich in die Miltonstreet einbog, raste ein schwarzer Plymouth Sedan heraus, schnitt die Kurve und hätte uns angefahren, wenn ich nicht scharf gebremst und das Steuer herumgerissen hätte. Phil fluchte in allen Tonarten und Evelyn stieß einen Schreckensschrei aus. Ich sagte gar nichts. Die Eile, mit der der Plymouth abgehauen war, kam mir mehr als verdächtig vor. Ich brachte den abgewürgten Motor meines Jaguars wieder in Gang und hielt gleich darauf vor Nummer siebenundzwanzig.
Die Haustür war nur angelehnt. Ich stieß sie auf, und Phil rief, aber keiner meldete sich. Auch die Wohnzimmertür war nicht fest geschlossen. Die Jalousie war heruntergelassen, und so musste ich mich zuerst an das Dämmerlicht gewöhnen, was ich aber dann sah, veranlasste mich, zurückzurufen.
»Evelyn, bleiben Sie um Gottes willen draußen.«
»Was… Was?« Sie versuchte sich an Phil vorbeizudrängen.
»Zurück!« Ich wusste mir keinen anderen Rat, als ihr einen Stoß zu geben.
Phil glitt herein. Ich warf die Tür zu und drehte den Schlüssel um. Dann erst blickte ich nach Mrs. Philps. Man hatte sie erschossen, genau wie ihren Sohn. Nur eine einzige Kugel war erforderlich gewesen, um ihr das Lebenslicht auszublasen. Wenigstes hatte sie nichts davon gemerkt. Dessen war ich sicher. Ich ließ alles, wie es war, und wir gingen nach draußen, wo das junge Mädchen wachsbleich, die Hand aufs Herz gepresst, an der Wand lehnte.
»Kommen Sie, Evelyn.« Ich fasste sie am Ellbogen und ohne zu fragen, ging sie mit.
Durch Sprechfunk rief ich unsere eigene Mordkommission zu Hilfe. Eines war mir klar. Wir waren höchstens fünf Minuten zu spät gekommen. Die Mörder musste in dem Wagen gesessen haben, der uns um'ein Haar umgefahren hätte.
»Diese verfluchten Hunde«, knirschte Phil. »Sie war so eine anständige Frau, die sich lim ihren missratenen Sohn quälte. Hätte man sie nicht in Ruhe lassen können.«
»Sie wurde aus demselben Grund ermordet wie Jonny«, antwortete ich. »Jonny wusste etwas, und ich bin überzeugt davon, dass ihm vier Jahre hindurch Schweigegelder bezahlt wurden. Irgendwie müssen die Verbrecher dahintergekommen sein, dass nach ihm geforscht wurde, und sie fürchteten, er werde seine Wissenschaft an den Meistbietenden verkaufen.«
»Das ist aber doch kein Grund, um seine Mutter zu töten«, entgegnete Phil.
»Wahrscheinlich glaubte man, er habe ihr etwas anvertraut. Derartige Burschen gehen kein Risiko ein.«
»Oder sollte man dahintergekommen sein, wer Mrs. Philps gestriger Besucher gewesen ist?«, sagte Evelyn zaghaft.
Sie war immer noch sehr bleich, und ihre grauen Augen waren übernatürlich geweitet.
»Mein Gott, wenn ich daran denke, dass ich vielleicht schuld daran bin. Wenn ich nicht nach New-York gekommen wäre und nichts unternommen hätte, so würden der Junge und seine Mutter noch leben.«
»Reden Sie keinen Unsinn«, fuhr ich sie heftig an. »Wenn man jeden Verbrecher laufen lassen wollte, nur weil er vielleicht eine weitere Untat verüben könnte, so würde keiner mehr erwischt. Dies ist ein Risiko, das in Kauf genommen werden muss. Glauben Sie nicht, dass ich abgebrüht bin oder das ich weniger Abscheu vor dem Täter empfinde als Sie, aber sollen wir den oder die Kerle außer Verfolgung setzen, weil es darum ein neues Opfer geben könnte?«
Ein Schreck durchfuhr mich. Die Gangster schienen außerordentlich gut orientiert zu sein. Wussten sie etwa bereits, wer hinter ihnen her war, und war ihnen gar bekannt, auf wessen Veranlassung das geschah? Das würde Gefahr für Evelyn bedeuten. Ich sah die Szene bereits vor mir, zwei brutale Gangster mit Totschlägern oder einer Pistole, ein zu Tode erschrecktes Mädchen. Es würde das Werk weniger Sekunden sein.
Ich kannte diese Typen, die sich nach vollbrachter Arbeit eine Zigarette anstecken, sich in eine Bar setzen und die neuesten Sportnachrichten lesen, denen kein Mensch ansieht, dass sie ein paar Minuten vorher einen Mitmenschen ermordet haben.
Noch vor unseren Leuten erschien die Mordkommission aus Jersey und mit dieser der Sergeant Polkin. Man hatte sie vom Office aus benachrichtigt,
Weitere Kostenlose Bücher