Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0112 - Acht Minuten nach Mitternacht

0112 - Acht Minuten nach Mitternacht

Titel: 0112 - Acht Minuten nach Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Acht Minuten nach Mitternacht
Vom Netzwerk:
Feuerwerk anzünden und außerdem würde es niemand sehen, bevor Sie erstickt sind. Versuchen Sie also nicht, Unsinn zumachen.«
    Die fünf Kerle marschierten hinaus. Kantor machte den Schluss. Ich hörte, wie er den Schlüssel zweimal im Schloss drehte und das Klirren von Riegeln. Es war zwecklos einen Ausbruchversuch zu machen, und wenn ich wagte, zu schreien oder zu klopfen, so würde ich schnell zur Ruhe gebracht werden. Es wäre ja eine unverzeihliche Dummheit von den Gangstern gewesen, wenn sie mich ohne Bewachung allein gelassen hätten. Ich konnte nichts anderes tun als abwarten und hoffen, dass die Burschen ihr Wort halten würden.
    Meine einzige Sorge war Evelyn. Kantor würde seine Drohung wahrmachen. Er würde in meine Wohnung eindringen und Evelyn zwingen, ihm einen Scheck über ihr gesamtes Bankguthaben auszustellen. Mein Furcht war, das Mädchen könne sich weigern und vielleicht sogar versuchen zu schreien, oder auf andere Art die Aufmerksamkeit der Nachbarn zu erregen. Das würde Kantor sich natürlich nicht gefallen lassen. Ich kannte ihn und seine Methoden zur Genüge. Evelyn würde auf alle Fälle den Kürzeren ziehen, und man würde nicht gerade zart mit ihr umgehen. Ich konnte nur hoffen, sie werde klug genug sein, keinen Widerstand zu leisten.
    Mit den gefesselten Händen griff ich nach der Whiskyflasche. Es gelang mir sogar die Zellophanhülle abzureißen und den Verschluss zu öffnen. Die Kappe fiel klappernd auf den Boden, und ich setzte die Flasche an, um einen ordentlichen Zug zu nehmen. Das zweite war eine Zigarette. Das Anstecken des Streichholzes war schon schwieriger, aber ich schaffte es. Dann prüfte ich mein Gefängnis, um vielleicht doch eine Möglichkeit dés Entrinnens zu finden. Die Tür war aus schwerem Eichenholz, die Wände solide gemauert. Das Fenster lag so hoch, dass ich es knapp mit den Fingerspitzen erreichen konnte, und es war zu klein, als dass ich mich hätte hindurchquetschen können. Außerdem befanden wir uns ja im vierten Stock.
    Ich musste an einen Kriminalschmöker denken, den ich vor kurzem gelesen hatte und dessen Held sich in derselben Lage befand wie ich jetzt. Zuerst hatte er einmal mit einen rostigen Nagel, der sogar schon zurechtgebogen in der Ecke lag, seine Handschellen geöffnet, und dann mit Hilfe eines Stuhlbeins die Tür aufgebrochen, vier Gangster niedergeschlagen, ein unschuldiges Mädchen befreit, und danach war er auf den Schreck einen trinken gegangen. Die einzige Ähnlichkeit bestand in der Whiskyflasche, aus der ich jetzt den zweiten Schluck nahm.
    Ich warf einen Blick auf die Armbanduhr. Es war genau zwölf Uhr achtundvierzig.
    Täuschte ich mich oder begann der Fußboden plötzlich zu vibrieren? Ein fernes Brausen schwoll zu einem Stampfen und Klirren an, die Wände zitterten, und dann ebbte das Geräusch langsam ab, um in der Ferne zu verklingen.
    Ein Zug, dachte ich. Ich musste mich ganz in der Nähe einer Eisenbahnstrecke befinden, und wenn ich berücksichtigte, dass wir im Kreis gefahren waren, so konnte das nur die Strecke sein, die vom Centralbahnof nach Norden führte. Mit einem Sprung erreichte ich das Fensterbrett und zog mich hoch. Kaum hundert Yards entfernt sah ich die Signal- und Streckenlampen, die sich wie eine bunte Kette an den Schienen entlang zogen. Halblinks über dem Häusermeer blinkte unverkennbar der rotierende Scheinwerfer des Rockefeller-Turms.
    Zwischen mir und der Eisenbahnlinie standen keine Häuser. Es gab also auch keine Möglichkeit, mich irgendwie bemerkbar zu machen. Ganz abgesehen davon, dass ich es nicht wagen konnte, die Scheibe einzuschlagen. Das hätte mir nur die Wache auf den Hals gehetzt, gegen die ich mich mit gefesselten Händen nicht hätte verteidigen können. Ich setzte mich auf den Stuhl, rauchte, trank und ließ meine Gedanken in endlosen Kreisen wandern.
    Wieder begann das Vibrieren, und jetzt war das Donnern des Zuges von einem Klirren, Stoßen und Rumpeln begleitet. Ein Güterzug, registrierte ich automatisch. Es war ein Uhr siebzehn. Um ein Uhr siebenunddreißig wiederholte sich das gleiche, um ein Uhr fünfundvierzig war es eine einsame Lokomotive und um zwei Uhr dreizehn das weiche Gleiten und Surren eines Pullmann-Express.
    Dann muss ich wohl auf meinem Stuhl eingeduselt sein. Als ich aufschreckte, war es bereits hell, vier Uhr dreißig. Ich reckte die steifen Glieder, machte ein paar Freiübungen, soweit das möglich war, und prüfte den erheblich gesunkenen Spiegel der Flasche. Auch

Weitere Kostenlose Bücher