0113 - Armaras Rückkehr
mein Kreuz bestimmt nicht. Irgendwie haben die Religionen auf der ganzen Welt dasselbe Ziel. Sie lehren die Menschen, Gutes zu tun. Und mein Kruzifix ist ein Sinnbild des Guten. Es wird alles Böse von dir fernhalten. Du hast gehört, wie ich mit seiner Hilfe Kabu erledigen konnte, und diese Kräfte stehen auch dir zur Verfügung, solange du im Besitz meines Kreuzes bist.«
Ich nahm es ab und streifte die Kette über Sidis Kopf.
»Werden Sie es nicht brauchen, wenn Sie in die Wüste gehen?« fragte der Junge.
»Ich besitze noch andere wirksame Waffen. Behalte das Kreuz ruhig. Ich hole es mir wieder, wenn ich mit Armara fertig bin.«
Der Junge legte die Fingerspitzen auf das Silber, und er spürte eine Kraft in seinen Körper strömen, die ihm neuen Lebensmut verlieh.
Ich bat ihn, mir von seinem Erlebnis bei der verfluchten Oase zu erzählen. Er tat es zuerst stockend, doch allmählich immer fließender.
Als er geendet hatte, erhob ich mich und stellte den Stuhl wieder an seinen Platz.
»Allah sei mit Ihnen«, sagte Sidi.
»Bestimmt«, entgegnete ich und verließ den Raum.
***
Noah Rennie trat aus seiner Hütte, die samt Marihuanafarm in einer Falte des Hoggar eingebettet war. Der Rauschgiftgroßhändler, dessen Name ganz oben auf den Fahndungslisten der Polizei stand, nahm seinen weißen Strohhut ab und wischte sich mit dem Taschentuch über die Glatze. Er war erst 40, aber schon kahl wie eine Billardkugel.
Seiner Unscheinbarkeit war es zu verdanken, daß er der Polizei immer wieder entwischen konnte.
Man hätte ihm nicht zugetraut, daß er so gefährlich wie eine Viper sein konnte. Er war ein Waffenfetischist und ging niemals »ohne«. Nicht einmal zu Bett.
Vor dem Haus stand ein Geländewagen, der soeben von Rennies Männern beladen wurde.
»Schneller!« rief Noah Rennie mit schnarrender Stimme. »Schlaft nicht ein bei der Arbeit, Männer. Das Zeug soll heute noch nach Tamanrasset!« Er blickte zur grellen Sonne hinauf. »Verdammte Hitze!« knurrte er und kehrte ins Haus zurück.
Eine Dauerlösung war das keine. Er haßte dieses Land, in dem es bei Tag zum Verschmachten heiß und in der Nacht zum Erfrieren kalt war. Ihm fehlte der Luxus, der ihm das Leben in England angenehm gemacht hatte, während er hier unter primitivsten Verhältnissen hausen mußte. Nein, er wollte auf dieser Farm nicht länger als unbedingt nötig bleiben. Nach England würde er so bald nicht wieder zurückkehren können. Der Tod von Dennis Feldons Tochter hatte zuviel Staub aufgewirbelt. Aber ein Strohmann war gerade dabei, ihm ein vornehmes Quartier in Rom zu besorgen, und sobald es damit geklappt hatte, würde er dieser Farm unverzüglich den Rücken kehren und nach Europa abreisen.
Er gehörte nicht hierher. Er fühlte sich hier als Fremdkörper. Und es gab genug Männer, die dafür sorgten, daß die Arbeit auf der Farm in seinem Sinn getan wurde.
Im Haus goß Rennie sich einen Scotch ein. Er spritzte Soda dazu, denn mit Scotch pur hätte er in dieser Hitze einen Kreislaufkollaps riskiert.
Ächzend ließ er sich auf eine Holzbank nieder. Vor dem Gebäude, das aus dem vulkanischen Gestein des Hoggar gebaut war, war das Getrappel von Kamelhufen zu hören.
Wenig später trat ein finsterer Geselle mit schwarzem Turban ein: Abdul!
»Darf ich näher treten, Mr. Rennie?«
»Was gibt’s?«
»Unangenehme Neuigkeiten«, sagte Abdul.
»Laß hören.«
Der hagere Mann nahm Platz, nachdem Noah Rennie auf einen Stuhl gewiesen hatte. Er lächelte schwach. »Ich habe mein Kamel durch die Wüste gescheucht, daß es beinahe krepiert wäre.«
»Und warum diese Eile?«
»Um Sie rechtzeitig zu informieren. Eine englische Privatdetektivin ist in Arak eingetroffen. Ihr Begleiter – ein koloßhafter Chinese – wollte sich bei mir einen Geländewagen leihen, aber zum Glück hatte ich gerade keinen zur Verfügung. Ich hätte ihm das Fahrzeug gegeben, denn ich hatte zuerst nicht gewußt, aus welchem Grund er und das Mädchen nach Arak gekommen waren. Das erfuhr ich erst danach. Die beiden sind Ihretwegen hier, Mr. Rennie!«
Der Rauschgifthändler hob eine Braue. »Meinetwegen?«
Abdul nickte.
»Wie heißt die Detektivin?« wollte Noah Rennie wissen.
»Jane Collins.«
Durch Rennies Körper ging ein Ruck.
Er griff nach seinem Glas und leerte es. »Jane Collins – verdammt.«
»Kennen Sie sie?«
»Nicht persönlich. Aber man hat mir gesagt, daß Dennis Feldon sie engagiert hat, damit sie sich an der großangelegten Suche nach mir
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