0114 - Der Würfel des Unheils
blieb sie stehen. Sie senkte den Kopf und schaute auf das Glas.
Es zeigte nichts. Keine Bilder oder Szenen, von denen John gesprochen hatte und trotzdem sah er irgendwie geheimnisvoll aus.
Geheimnisvoll und gefährlich.
Von der eigentlichen Gefahr merkte die Detektivin allerdings nichts. Die näherte sich ihrem ungeschützten Rücken. Unbemerkt hatte sich aus einer dunklen Nische die Gestalt des Samurai gelöst, und mit lautlosen Schritten glitt der grausame Kämpfer auf Jane Collins zu.
Sein Schwert hielt er bereits in der Hand.
Jane merkte von nichts. Sie war in den Anblick des geheimnisvollen Würfels vertieft.
Noch ein Schritt trennte den Samurai von der blondhaarigen Frau.
Er hob den Arm…
Jane hörte das Knistern und Scheuern des Stoffs. In ihrem Gehirn schrillten die Alarmglocken. Sie wollte herumwirbeln, sich zur Seite werfen – es war zu spät.
Etwas pfiff durch die Luft, und im nächsten Moment lag die Klinge des Samurai-Schwerts quer vor ihrem Hals und berührte das straffe helle Fleisch…
***
Zehn hartgesottene Kendo-Kämpfer standen gegen uns.
Und wir waren zu dritt.
Ich atmete tief durch.
Bill Conolly räusperte sich, nur Suko sagte oder tat nichts. Er blieb gelassen.
»Packen wir’s?« flüsterte der Reporter.
Ich bin ja sonst immer ein Optimist, doch in diesem Augenblick wurde ich zum Gegenteil. »Kaum.«
»Was dann?«
»Wir müssen verhandeln.«
»Versuch es«, sagte auch Suko.
Ich nickte und hob als Demonstration meiner friedlichen Absichten beide Hände in Kopfhöhe.
Die Kendo-Kämpfer starrten uns an. Sie standen auf dem Sprung, hielten ihre gefährlichen Waffen schlagbereit und würden mit uns kurzen Prozeß machen, dessen war ich mir sicher.
Ich senkte den rechten Arm und spreizte den Daumen soweit ab, daß er auf den Toten wies. »Wir waren es nicht«, erklärte ich.
»Glaubt mir, es ist nicht unsere Schuld.«
Schweigen.
Ich nahm einen neuen Anlauf. »Der Mann ist durch einen Pfeil getötet worden, der seinen Nacken getroffen hat. Wir haben so etwas nicht bei uns. Zudem sind wir Polizeibeamte.«
Wieder sagten sie nichts.
Langsam kam ich ins Schwitzen. Himmel, wie sollte ich die sturen Kerle denn aus der Reserve locken? Vielleicht wollten sie meinen Ausweis sehen. Ich senkte die Arme, winkelte sie dann an, um in die Innentasche zu greifen, doch ein scharfer Befehl ließ mich anhalten.
»Nicht! Du wirst keine Waffe ziehen!«
Ich lächelte. »Das hatte ich auch nicht vor. Ich wollte euch nur meinen Ausweis zeigen.«
Der Sprecher trat einen Schritt nach vorn. Er war der Kräftigste der Männer, trug langes unmodernes Haar, das durch ein rotes Stirnband gehalten wurde. Sein Arm mit dem Kendostock sank nach unten.
Ich atmete auf. Ein gutes Zeichen, wie ich fand.
»Du kannst deinen Ausweis hervorholen«, sagte er zu mir. »Aber keine falsche Bewegung!«
»Nein, nein.«
Ich trug meinen Sonderausweis immer bei mir. Er war in eine Klarsichthülle eingeschweißt. Ich warf dem Kendo-Mann das Papier zu.
Geschickt fing er das Dokument mit der linken Hand auf und las.
Er ließ sich Zeit. Viel Zeit sogar. Ich wurde langsam nervös. In meinem Nacken sammelten sich die Schweißperlen und rannen langsam den Rücken hinab. Das lag auch an der Luft in der Halle.
Sie war feucht und klamm. Eine Klimaanlage gab es nicht.
Schließlich hob der Mann den Kopf. Sein Blick bohrte sich in den meinen.
»Habe ich gelogen?« fragte ich.
»Nein«, erwiderte er und warf mir den Ausweis zurück.
Ich mußte einmal nachfassen, um ihn zu halten. Langsam steckte ich ihn wieder ein. »Dürfen wir uns jetzt um den Toten kümmern?« fragte ich.
»Nein.«
»Wer kann ihn ermordet haben?« wollte ich wissen.
Der Kendo-Kämpfer hob die Schultern.
»Kannst du mir einen Grund für den Mord nennen?«
»Nein, aber geht jetzt!«
Der Mann oder die Männer wollten uns loswerden. Warum?
Hatten sie doch etwas zu verbergen?
»Und was ist mit dem Toten?« fragte ich.
»Um den kümmern wir uns.«
Das wollte ich auf keinen Fall. Hier war ein Mensch vor meinen Augen ermordet worden. Ich konnte mir gut vorstellen, was geschah, wenn wir das Haus verließen. Sie würden den Toten auf Nimmerwiedersehen verschwinden lassen. Das konnte ich nicht zulassen. Der Mord mußte untersucht werden.
Ich versuchte es den Männern zu erklären, doch sie stellten sich stur und ließen sich auf keinerlei Kompromisse ein.
»Aber hier läuft ein Mörder frei herum!« schrie ich. Meine Stimme hallte von den Wänden
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