0116 - Der Traum-Dämon
Korridor in die Tiefen der Villa.
Ich entschied mich, ohne zu zögern.
Der Schrei war aus dieser Richtung gekommen.
Am Ende des Korridors stand eine Tür offen. Helles Tageslicht zauberte ein Rechteck auf den Fußboden. Staubteilchen flimmerten darin.
»Du wirst sterben, Edna!« hörte ich eine eiskalte Stimme hecheln.
»Ich lasse es nicht zu, daß du am Leben bleibst! Du sollst mit mir zur Hölle fahren! Du hast es dir hundertfach verdient!«
»Nein, bitte, tu es nicht! Charles! Bitte!« Wimmernd brach die Frauenstimme ab.
Ein unheimliches Lachen.
Dann wieder ein Röcheln.
»Neiiin!«
Ich erreichte die Tür, hielt mich am Rahmen fest und schlidderte in den Raum hinein.
Das Bild, das sich mir bot, war grauenhaft!
Eine Frau kauerte am Boden, strampelte, wehrte sich verzweifelt.
Über sie gebeugt stand ein Wesen, das man nur noch mit einer gehörigen Portion Fantasie und gutem Willen als Menschen bezeichnen konnte. Der Kopf ruhte leicht seitlich geneigt auf den Schultern.
Der Körper wirkte seltsam verdreht, als wären sämtliche Knochen gebrochen. Der Bursche würgte die Frau. Sie hatte ihre Augen weit aufgerissen.
Ihr Tod war ganz nahe.
Schießen konnte ich nicht. Die Gefahr, daß ich die Frau traf, war zu groß. Ich wechselte die Beretta in die Linke und im nächsten Moment trümmerte ich dem Würger meine Handkante in den Nacken.
Es war ein Schlag, den niemand so einfach verdauen konnte.
Normalerweise.
Daß hier andere Gesetze galten, wurde mir verdammt nachdrücklich klargemacht!
Der Kerl ließ die Kehle der Frau los und kreiselte herum. Jetzt sah ich auch, warum sein Schädel so komisch auf den Schultern saß: Ein Teil der Halspartie fehlte. War förmlich zerfleischt worden.
Wheelen hatte also gar nicht so unrecht gehabt.
Und ich wußte damit definitiv, wem ich gegenüberstand: Mr. Wyndbogh. Er war tot, aber er lebte als Untoter!
Seine Faust zuckte vor!
Ich hatte zuviel nachgedacht. Das rächte sich. Der Schlag erwischte mich voll. Ein Pferdetritt hätte nicht schlimmer sein können.
Er schmetterte mich zurück. Ich verlor das Gleichgewicht und die Beretta und krachte zu Boden. Ein weißer Schaukelstuhl und eine antike Bodenvase aus feinstem Porzellan machten meine Bruchlandung mit. Es schepperte und klirrte und prasselte.
Mrs. Wyndbogh rang keuchend nach Atem und robbte zur Wand zurück. Dort blieb sie liegen und starrte zu mir herüber – wie ein verängstigtes Reh.
Obwohl der erste Punkt formal an Wyndbogh ging, war ich indirekter Sieger. Er hatte von seiner Frau abgelassen und konzentrierte sich voll auf mich. Das war schon eine ganze Menge wert.
»Laufen Sie weg!« brüllte ich Mrs. Wyndbogh zu, während ich mich hocharbeitete.
Ob sie das tat, konnte ich nicht mehr beobachten. Ich hatte genug mit mir selbst zu tun.
Meine Füße machten nicht so recht mit.
Der Schlag war verdammt hart gewesen.
Ich fixierte Wyndbogh, der mit seltsam eckigen Bewegungen näher kam. Er schien sich sehr sicher und überlegen zu fühlen.
Das Blut, das aus seinen schrecklichen Wunden gequollen war, näßte seine Kleidüng. Eigentlich eine relativ nebensächliche Feststellung, aber mir stach sie förmlich ins Gehirn.
Der lebende Tote war von einer teuflischen Macht beseelt worden, um mir den Garaus zu machen. Diese Macht, die sich noch immer im Hintergrund hielt, war mein wahrer Gegner, nicht etwa der bedauernswerte Wyndbogh. Sein Körper wurde nur benutzt.
Und das verteufelt gut!
Wyndbogh griff an. Mit einem grellen Aufschrei schnellte er vor.
In seinen toten Augen irrlichterte blanke Mordlust!
Ich aber wartete nicht erst ab, bis er die an mir befriedigen konnte!
Mindestens ebenso schnell wie der Untote heranstampfte, rollte ich zur Seite davon. Mit einem dumpfen Schlag kam Wyndbogh dort im nächsten Augenblick auf. Die Scherben der Vase knirschten und spritzten nach allen Seiten davon.
Ich federte hoch und hielt nach der Beretta Ausschau. Das Kreuz allein schützte mich nicht gegen diesen Berserker.
Mit einem raschen Schritt war ich bei der Waffe und hob sie auf.
Wyndbogh ließ mir nicht viel Zeit. Wie ein Derwisch kam er wieder auf die Füße. Jetzt haftete seinen Bewegungen nichts eckiges, roboterhaftes mehr an. Wieselflink war der Bursche plötzlich.
Ich aber war schneller.
Ich drückte ab.
Und ich traf ihn!
Wyndbogh jedoch zeigte keinerlei Reaktion. Unbeirrt stapfte er heran. Ein boshaftes Grinsen umspielte seine Lippen.
Ich feuerte noch einmal.
Harmlos stanzten die Kugeln durch
Weitere Kostenlose Bücher