0116 - König der Vampire
jenen letzten Zeitpunkt, zu dem das Unheil noch zu verhindern war. Er würde diese Momente unter anderen Voraussetzungen noch einmal erleben und eine Chance haben, alles zu ändern. Was sie in der anderen Welt erlebt hatten, war zeitlos abgelaufen, ohne jeden Verlust. Und Astaroth, der Dämon, der das ganze Todesspiel inszeniert hatte, konnte nicht mehr eingreifen. Wenn Ogo Krul diesmal starb, war es für immer. Keine weitere Inkarnation dieses Albinowesens würde mehr erscheinen.
Zamorra wußte, daß jetzt alles von seinem Handeln abhing. Denn er besaß die Erinnerung an die Zukunft, an eine böse, tödliche Zukunft. Es galt zu verhindern, daß sie Wirklichkeit wurde…
Und Zamorra handelte!
***
»Nehmen Sie bitte Platz«, forderte Zamorra den Albino auf und wartete ab, bis Krul sich in den bequemen Ledersessel plumpsen ließ. »Was darf ich Ihnen anbieten? Cognac, Likör, Whisky, Wodka, Wein…«
Es war wie zuvor. Keine Änderung?
Zamorras Hand glitt in eine Tasche. Er erstarrte förmlich. Seine Hand umschloß den Kolben jener Pistole. Er hatte sie aus der anderen Dimension mitgebracht!
Vorsicht! gellte es in ihm. Krul darf meine Gedanken nicht lesen!
Sofort blockte er ab, dachte an Banalitäten. Oft schon hatte er diese Kunst trainiert, seine Gedanken abzuschirmen. Nur tief in seinem Unterbewußtsein, unauslotbar verborgen, befaßten sich seine Gedanken mit den Möglichkeiten, die sich ihm offenbarten, Krul und seine Vampire zu überwinden.
»Ah ja, Wein«, quietschte Krul aufgekratzt. »Haben Sie einen Bordeaux da?«
Zamorra nickte lächelnd. Es war ein eigentümliches unwirkliches Lächeln, fast verkrampft wirkend. Krul schien nichts zu ahnen.
Nicole setzte drei Gläser auf dem massiven Schreibtisch auf und förderte eine noch unangebrochene Flasche Bordeaux zutage. Während sie einschenkte, schoß Ogo Krul seine nächste Frage ab.
»Monsieur Zamorra, man hört immer etwas von einem Amulett, das Sie besitzen sollen und das angeblich über fantastische parapsychische Eigenschaften verfügt. Hauptsächlich bin ich nur des Amulettes wegen gekommen. Ich möchte es einmal ansehen. Es interessiert mich brennend.«
Gleich ist es soweit, dachte Zamorra. Gleich kommt der Augenblick, in dem ich die Zukunft ändere.
Über sein Gesicht flog ein leichter Schatten. »Es wird viel erzählt, Monsieur Krul. Manches ist verfälscht, vieles übertrieben.«
Das waren die gleichen Worte wie - damals. Damals - war es schon so lange her? Ein ungutes Gefühl stieg in ihm auf. War er überhaupt in der Lage, etwas zu ändern?
»Nur keine falsche Bescheidenheit«, mahnte Krul mit erhobenem Zeigefinger. Ein verschmitztes Lächeln überflog sein feistes Gesicht. »Alle Erzählungen haben doch einen wahren Kern…«
»Das Amulett ist sehr alt«, sagte Zamorra. »Es wurde mir von einem meiner Vorfahren vererbt, von Leonardo de Montagne, der auch das Schloß erbauen ließ. Er brachte es von einem Kreuzzug aus dem Morgenland mit. Den genauen Ursprung des Amulettes kennt niemand, es heißt, daß selbst Merlin, der Altmeister der Weißen Magie, seine Hände im Spiel hatte.«
Krul unterbrach ihn. »Merlin, der Zauberer von König Arthurs Hof?«
Zamorra nickte. - Es war alles wie zuvor. Keine Abweichung… er begann, Krul das Amulett zu beschreiben.
»Kann ich das Amulett trotzdem einmal sehen?« erkundigte sich Krul, der noch keinen Schluck aus dem Weinglas genommen hatte.
Zamorras Blick kreuzte sich mit dem Nicoles. Eine Warnung lag darin. Eine Warnung vor dem auffälligen Interesse des Albinos. Seltsam, daß ihm diese Warnung beim ersten Erleben nicht so aufgefallen war. Hatte Nicole den Albino schneller durchschaut? Zamorra nickte ihr beruhigend zu. Keine Sorge, ich weiß Bescheid und passe auf, hieß dieses Nicken.
»Meinetwegen«, sagte er laut.
Und hatte den Bann durchbrochen! Das hatte er beim erstenmal nicht gesagt, hatte gezögert!
Paß auf! warnte seine innere Stimme.
Zamorra wandte sich um und ging zu dem verborgenen Tresor. Seine Finger tasteten die Eingabeimpulse in die Elektronik. Lautlos schwang die Wand auf. Zamorras Hand schoß vor, zog das Amulett heraus, ehe das Wandstück sich wieder schließen und ihm die Hand abquetschen konnte.
Da fragte Nicole: »Monsieur, haben Sie einen Doppelgänger, denn gestern sah ich in der Polizeistation von Roanne einen Toten, der Ihnen verblüffend ähnelte?«
Zamorra flog herum. In einer Hand lag das Amulett, das sich erwärmte, die andere steckte in der Hosentasche und
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