0116 - König der Vampire
Konturen zweier Wesen, die sich voneinander trennten. Ein höllisches Geräuschinferno schien seine Ohren zu zerfetzen. Astaroth schrie, litt unerträgliche Schmerzen, dann war er verschwunden…
Das Leuchten des Amulettes verging. Langsam sank Nicole Duval in sich zusammen, zu Tode erschöpft von den ungeheuren Anstrengungen.
Astaroth war fort. Tot oder geflohen, das vermochte Zamorra nicht zu entscheiden. Wenn er noch existierte, hatte er jedoch eine ungeheure Niederlage erlitten, war schwer angeschlagen. Von ihm war in nächster Zeit nichts mehr zu erwarten. Vielleicht würde er sich später wieder einmal rühren, in ein paar Jahren vielleicht, wenn er sich erholt hatte. Denn der enge Kontakt mit dem Amulett war für Dämonen in der Regel tödlich, und wo nicht, da wurden sie eines großen Teils ihrer Fähigkeiten beraubt, waren nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Zamorra kniete neben der ohnmächtigen Nicole nieder, streichelte ihr Gesicht. Dann tastete er nach dem Amulett.
Er mußte es einsetzen, um diese Welt zu verlassen. Dann würde alles wieder anders sein.
Seine Blicke brannten sich an dem Instrument fest. Seine Finger glitten über die silberne Scheibe, tastend, suchend. Ein eigentümliches Gefühl ergriff Besitz von ihm. Es war fast wie damals, als er das Amulett zum ersten Mal in Händen hielt. Er entsann sich der Zeilen, die er einst in jenem alten Buch gefunden hatte, die das Amulett beschrieben. [1]
Anno Domini 1099 war es Leonardo de Montagne dank göttlicher Gnade vergönnt, mit den edlen Kreuzfahrern Jerusalem einzunehmen und die Heiligen Stätten den Ungläubigen zu entreißen. Dort gründeten sie ein Reich, auf daß die Heiligtümer der Christenheit auf immer erhalten blieben. Der zweite Sohn des Kalifen Achman jedoch hatte eine Frau, die rein war wie ein leuchtender Stern am Firmament und schöner als die aufgehende Sonne des Morgenlandes. Leonardo geñel es, sie mit sich zu nehmen als Geisel, damit der Friede gesichert sei. Sie war schön, daß er sie nicht zurückgeben wollte, nicht um den Preis von Gold und nicht um den Preis eines Königreiches. Der Kalif aber änderte seinen Sinn and machte ihm ein Amulett zum Geschenk, auf daß er herrsche über die Mächte der Finsternis, über Dämonen and Geister…
So hatte es damals in dem Buch gestanden. Ein Erinnerungsfetzen - oder war es mehr? Gab es nicht Parallelen? Es war eine orientalische Welt gewesen, aus der Leonardo de Montagne das Amulett erhielt. Und auch diese Welt hier besaß einen orientalischen Charakter. Der Kalif aber änderte seinen Sinn… hatte Camoran in der Sterbestunde Zamorra nicht »Bruder« gerufen?
Egal wie… jetzt galt es, das Amulett einzusetzen, um wieder zurückzukehren nach Château Montagne.
Und während seine Finger wieder über die magischen Symbole huschten, eines nach dem anderen aktivierten in einer Reihenfolge, die er früher nicht gekannt hatte, die plötzlich in seinem Bewußtsein schien, begannen die Konturen bereits zu verschwimmen. Ein Gedankenfetzen blitzte auf: Carmor der Mächtige. Doch instinktiv wußte Zamorra, ohne sagen zu können, woher dieses Wissen kam, daß Carmor gefallen war, niedergemacht im großen Saal von den eisengepanzerten Soldaten, als er Bills und Nicoles Flucht deckte. Als Zamorra längst Camoran verfolgte und nichts mehr von dem mitbekam, was noch im Saal geschah…
Carmor würde die Erde niemals mehr sehen können…
Und da kam bereits das Ende, der Übergang. Die farbenprächtige Szenerie änderte sich, wurde zu wesenloser Weltraumschwärze. Irgendwie bekam Zamorra noch mit, wie die reglosen Körper von Bill und Nicole sich auflösten, dann stürzte er durch die Dimensionen, seinem Ziel entgegen.
Irgendwann im Nichts vernahm er die Stimme Merlins, des Zauberers.
Du hast deine Chance. Nutze sie gut!
Dann traf er ein.
***
Es war eigenartig.
Sekundenlang sah er sich doppelt. Sah die Szene in dem Arbeitszimmer, Sekunden nachdem sie es betreten hatten. Sah eine doppelte Nicole, sah sich neben sich selbst stehen. Sah, wie das Amulett geisterhaft aus seiner Hand glitt und durch die Wand in den Tresor schlüpfte. Wie mit Röntgenaugen erkannte er, wie beide Gegenstände miteinander verschmolzen, zu einem einzigen Amulett wurden. Auch die beiden Französinnen wurden zu einer Einheit, und dann wurde er mit unfaßbarer Gewalt in sein anderes Ich gerissen und verschmolz mit ihm.
Es war wie zuvor. Er begriff, daß sie einen Zeitsprung in die Vergangenheit gemacht hatten, an
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