0117 - Der Rattenkönig
fiel der graubraune Körper zu Boden, zuckte noch einmal und blieb liegen.
Tot…
Die Frau zitterte vor Angst. Sie hockte auf dem Boden. Ich zerrte sie hoch und schob sie in das Bad. »Hier bleiben Sie, bis alles vorbei ist«, sagte ich und schloß rasch die Tür.
Ellen Langster nickte.
Dann machte ich mich auf die Suche nach der zweiten Ratte. Sie hatte noch nicht angegriffen und hielt sich wahrscheinlich irgendwo in der Wohnung versteckt.
Ich mußte sie finden.
Natürlich trug ich meine Waffe bei mir, und ich hatte auch vor, das Tier mit einem Schuß zu erledigen, wenn es mir vor die Mündung lief. Doch erst einmal mußte ich es finden.
Auf der Türschwelle blieb ich stehen. Die Beretta lag in meiner rechten Hand. Die Mündung schwenkte ich hin und her, streute damit den Livingroom ab.
Die Ratte sah ich nicht.
Wo konnte sie stecken?
Unter der Couch, hinter der Tür, zwischen den Blumen auf der Bank?
Ich konnte nicht gerade behaupten, daß mir wohl in meiner Haut war. Irgendwie hatte ich schon ein komisches Gefühl. Vor Ratten ekelt sich fast jeder, jedenfalls kenne ich keinen, der diese Tiere als seine Freunde bezeichnet.
Sicher, ich war schon mit wesentlich stärkeren Gegnern fertig geworden, aber in einem Zimmer zu sein und zu wissen, daß irgendwo versteckt eine angriffsbereite Ratte hockte, ist schon komisch.
Ich ging einen Schritt vor, den zweiten…
Wo lauerte sie?
Die Frage bekam ich einen Atemzug später beantwortet. Das Biest steckte hinter der Tür, genau im toten Winkel.
Und als ich den dritten Schritt nach vorn machte, sprang die Ratte auf mich zu.
Ich ahnte die Gefahr, konnte aber nichts machen. Die Ratte prallte in meinen Rücken.
Ich spürte den Aufprall, und danach den kurzen beißenden Schmerz, als sich die Ratte durch meine Kleidung und damit in die Haut gebissen hatte.
Ich drehte mich.
Blitzschnell wirbelte ich im Kreis herum, während ich gleichzeitig die Arme nach hinten schlug und so versuchte, die Ratte zu packen. Hoch hatte ich die Arme angewinkelt, bückte mich, und ich kriegte sie tatsächlich.
Meine Finger griffen zu.
Mit aller Kraft riß ich das verdammte Biest von meiner Kleidung los. Dann zappelte sie in meiner Hand.
Voller Haß schleuderte ich das angriffslustige Tier zu Boden.
Meine Waffe hatte ich auf einen Sessel geworfen. Jetzt sprang ich hin und nahm die Beretta wieder an mich.
Die Ratte war aufgedreht. Sie suchte keine Deckung, sondern den offenen Kampf. Sie wollte mich attackieren. Das Tier hockte auf dem Boden und starrte aus kleinen tückischen Augen zu mir hoch.
Ich visierte.
Und dann schoß ich.
Das Silbergeschoß raste aus dem Lauf, traf den Schädel und zertrümmerte ihn.
Die Ratte verging.
Aber auf eine andere Art und Weise, wie ich gedacht hatte. Ihr Körper wurde zwar von der Einschlagwucht der Kugel zurückgeschleudert, aber er löste sich auf!
Das Tier lag dicht neben einem kleinen Tisch. Es zuckte mit den Füßen, und plötzlich quoll schwarzer Qualm aus dem von meiner Kugel getroffenen Körper.
Die Ratte verging.
Wie Dämonen oder deren Helfer.
Jetzt wußte ich Bescheid. Die Angriffswut der Ratten beruhte auf keiner normalen Basis, sondern auf einer dämonischen. Irgend etwas leitete sie zu diesen Taten an, und in diesem Augenblick war es endgültig ein Fall für mich geworden.
Ein beißender, ekliger Geruch durchströmte das Zimmer, und ich verzog angewidert die Nase. Als ich wieder zu der toten Ratte hinschaute, lag dort nur ein Gerippe.
Ich ging in die Diele.
Die Ratte dort hatte sich nicht aufgelöst. Sie war unter meinem Tritt gestorben.
Ich holte Papier aus der Küche, legte das tote Tier darauf und auch das Gerippe. Beides warf ich in den Müllschlucker. Dort war das Zeug am besten aufgehoben.
Jetzt konnte Ellen Langster aus dem Bad kommen. Die Gefahr war gebannt.
Ich klopfte an die Tür. »Alles okay, Mrs. Langster, Sie können das Bad verlassen. Es gibt keine Ratten mehr.«
Ich erhielt keine Antwort.
Verwundert drückte ich die Tür auf, betrat das Bad und blieb entsetzt stehen.
Ellen Langster war tot!
***
Die Frau lag quer über dem Wannenrand. Der Oberkörper hing in der Wanne, die Beine berührten den gefliesten Boden.
Eine ungeheure Wut packte mich, die das Entsetzen verdrängte.
Ich riß meine Beretta hervor, als ich eine Ratte sah, die soeben in der Toilette verschwand. Es hatte keinen Zweck mehr, zu schießen.
Das Biest war schon weg. Ich wußte aber wenigstens, welchen Weg die Tiere genommen hatten.
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