0117 - Der Rattenkönig
Sie waren durch die Kanalisation in das Bad gelangt. Ich vermutete, daß es mehrere gewesen waren; von einer Ratte getötet zu werden, ist nur schwer vorstellbar. Und sie mußten Ellen Langster überrascht haben, einen Schrei oder andere Geräusche hatte ich nicht vernommen.
Die Ratten waren lautlos und hinterrücks gekommen, die Frau war ohne Chance gewesen.
Etwas allerdings bereitete mir Sorgen. Das war die Zielstrebigkeit, mit der die verfluchten Bestien vorgingen. Das taten sie nicht von allein. Irgend jemand leitete sie, einer steckte dahinter, der ihnen die Befehle gab. Nur – wer?
In diesem Augenblick schwor ich, den Unbekannten zu finden.
Und dazu brauchte ich mir nicht erst die Tote anzuschauen. Sie hatte eine Ratte umgebracht, im Urlaub, und die Artgenossen hatten sie bis in ihre Londoner Wohnung verfolgt.
Aus der Tasche der Toten nahm ich den Türschlüssel und verließ die Wohnung.
Im Lift fiel mir ein, daß ich auch einige Ratten gekillt hatte. Folge: Sie würden jetzt mich jagen. Ich stand nun auf ihrer Mordliste ganz oben.
Sollten sie nur kommen, ich würde ihnen schon einen würdigen Empfang bereiten.
Trotzdem schaute ich mich vorsichtig um, als ich meine Wohnung betrat. Keine Ratte lauerte auf mich. Unangefochten erreichte ich das Telefon und rief die für diesen Bezirk zuständige Mordkommission an. Die Männer wollten in wenigen Minuten hier sein.
Danach schellte ich bei Suko.
»Komm rein«, sagte der Chinese. »Ich nehme gerade mein Kraftfutter zu mir. Kannst was mitkriegen.«
»Dein Saft reizt mich heute nicht.«
Suko schaltete schnell. »Was ist passiert?«
Ich erzählte es ihm.
»O verdammt«, sagte er nur.
Ich teilte ihm mit, wo die Wohnung lag, und verschwand wieder.
Noch eine Minute mußte ich warten, dann kam die Mordkommission. Ihren Leiter kannte ich gut. Ich schloß die Tür auf und erklärte ihm, was geschehen war.
Ungläubig schaute er mich an. »Ratten, John? Sind Sie sicher?«
»Ja.«
Er schüttelte den Kopf, als könnte er noch immer nicht fassen, was ich gesagt hatte. Dann sah er die Tote und wurde bleich. Mit einer Hand strich er sich über das Gesicht. »O Gott, das ist ein Horror«, flüsterte er.
»Und eine Tatsache.«
Der Arzt untersuchte die Tote. »Den Verletzungen nach zu urteilen, sind es Tiere gewesen«, meinte er.
»Aber wie ist das möglich?« wurde ich gefragt.
Ich schaute dem Chef der Truppe ins Gesicht. »Keine Ahnung. Auf jeden Fall bin ich mit betroffen, und ich werde mich auch hinter die Sache klemmen.«
Mein Kollege atmete auf.
Ich schlug ihm auf die Schulter. »Keine Angst, Sie brauchen schon keine killende Ratten zu jagen. Das ist meine Spezialität.«
»Da wünsche ich Ihnen viel Glück.«
Ich bedankte mich.
Vor der Tür wachten zwei Polizisten. Irgendwie mußte es sich herumgesprochen haben, daß etwas passiert war, denn einige Hausbewohner standen im Flur und diskutierten heftig. Ich vernahm auch Sukos Stimme und ging nach draußen.
Die Bobbys wollten ihn nicht passieren lassen. Suko sah mich und atmete auf.
»Ist schon okay«, sagte ich.
Ich nahm den Chinesen mit in die Wohnung. Auch er schaute sich die Tote an.
»Schlimm, verdammt schlimm. Ob diese Biester irgendwie degeneriert sind?«
»Kaum.«
»Was macht dich so sicher?«
»Die Ratten-Rache. Ellen Langster hat mir davon berichtet. Die Tiere haben sie von Southwick aus verfolgt. Und dieser Ort liegt an der Küste, ein paar Meilen von Brighton entfernt.«
»Dann hat also dort alles seinen Ursprung genommen«, vermutete der Chinese.
»Sicher.«
»Ich sehe uns schon am Meer«, lächelte er.
»Bestimmt.«
Ich mußte noch für ein paar Fragen Rede und Antwort stehen.
Alles andere würde später erledigt. Dann wollte ich auch das Protokoll unterschreiben.
Wir machten Platz, damit die beiden Träger vorbeikonnten. Sie trugen die Wanne, in der die Überreste der Toten lagen.
»Fahren wir hoch?« fragte Suko. Ich hatte nichts dagegen.
Wir gingen zu ihm. Dort wartete Shao. Allerdings nicht allein.
Jane Collins war eingetroffen.
»John!« rief sie, als sie mich sah. »Ich habe eine fantastische Idee. Wir haben heute Freitag, draußen ist herrliches Wetter, und deshalb können wir ruhig für ein Wochenende an die See fahren. Shao ist auch einverstanden. Was hältst du davon?«
Sie schaute mich an und wartete darauf, eine negative Antwort zu bekommen. Um so überraschter war sie, als ich sofort auf ihren Vorschlag einging.
»Aber natürlich fahren wir, meine Liebe. Ich
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