0117 - Schwere Fäuste, leichte Siege
erwiderte der Kollege.
Ich wartete. Da Phil unterwegs war, war dies für mich die einzige Möglichkeit, wenn ich feststellen wollte, wie die Geschichte auf dem Dach mit den vielen Schornsteinen ausgegangen war.
»Hallo, Jerry?«; hörte ich nach ein paar Minuten.
»Ja?«
»Ein Kerl namens Richway ist hier. Phil hat ihn eingeliefert. Er hat ein paar Kratzer und einen Streifschuss. Unser Doc hat ihn behandelt und sein Gutachten beigefügt, dass eine gewöhnliche Inhaftierung für den Burschen ohne Schäden bleiben wird, sofern es seine Verletzungen angeht. Ich habe nur Auftrag, den Mann jeden Vormittag einmal unserem’Doc vorführen zu lassen.«
»Sonst ist er vernehmungsfähig?«
»Ja.«
»Okay. Ich möchte ihn vernehmen.«
»Jetzt gleich?«
»Ja.«
»Ich schicke ihn rauf.«
»Danke.«
Ich legte den Hörer auf und wartete. Richway hatte einen Mann ermordet. Das konnten wir ihm spielend nachweisen, denn Phil und ich hatten es gesehen. Er hatte keine Chancen, unter Lebenslänglich wegzukommen. Wahrscheinlich drohte ihm sogar die Todesstrafe. Es hing vom Geschick seines Anwaltes ab. Aber lebenslänglich war das Mindeste, womit er rechnen musste.
Richway hatte also kaum Ursache, der Polizei zu helfen. Er saß so tief in der Patsche, dass es kaum noch eine Rolle spielte, wie er sich vor der Polizei verhielt.
Andererseits aber mussten wir ihn zum Reden bringen. Nur er konnte uns seinen Auftraggeber nennen, denn sein Komplize war ja tot. Warum hatten sie die Morgans überfallen wollen? Hing es mit dem Kokain zusammen, das wir bei Mabel Morgan gefunden hatten? Oder stand der unerwartete Besuch in einem Zusammenhang mit der Ermordung des Boxers Archy Douglas? Richway konnte uns darüber Auskunft geben, wenigstens konnte er uns auf den Weg helfen zu den Hintermännern.
Die Frage war nur, ob er es tun würde.
***
Ich steckte mir eine neue Zigarette an, dann hatte ich mir einen Plan zurechtgelegt. Vielleicht würde Richway darauf hereinfallen…
Richway wurde nach kurzem Klopfen hereingeführt. Er sah reichlich blass aus, und die blauschwarzen Bartstoppeln machten den Gegensatz zur Hautfarbe noch deutlicher.
»Nehmen Sie ihm die Handschellen ab«, sagte ich zu dem Beamten vom Zellentrakt, der ihn heraufgebracht hatte. »Ich rufe an, wenn Sie ihn wieder abholen können.«
Schweigend wurde meine Anordnung ausgeführt. Richway rieb sich die Handgelenke und starrte mich feindselig an.
»Setzen Sie sich«, sagte ich. »Zigarette?«
Er griff gierig danach. Ich gab ihm Feuer und sagte dann: »Bei euch unten im Keller ist es angenehmer, was? Hier oben herrscht eine Bullenhitze. Na, Sie merken es ja selbst.«
Er zog die Augenbrauen zusammen. Offensichtlich wusste er nicht, was er von mir halten sollte. Ich rauchte ein paar Züge und fragte dann teilnahmsvoll: »Was macht Ihr Streifschuss?«
Er schob die Unterlippe vor und knurrte: »Brennt verdammt. Ist aber auszuhalten.«
Ich schob meinen Ärmel hoch, bis er die Binde um den Oberarm erkennen konnte, und sagte: »Brannte verdammt. War aber abzuhalten.«
Er hob ruckartig den Kopf.
»Von mir?«, fragte er.
Ich nickte gleichmütig.
»Ja. Aber Sie brauchen nicht zu fürchten, dass ich mich an Ihnen persönlich dafür rächen würde. Mit solchen gelegentlichen Betriebsunfällen rechnet man, wenn man hier bei diesem Verein Mitglied ist…«
Er schielte noch immer misstrauisch zu mir herüber.
»Tja«, murmelte ich nach einer Weile.
»Sie haben Pech gehabt, mein Lieber. Für den Rest Ihres Lebens haben Sie ausgesorgt.«
Er ließ den Kopf sinken. Lange Zeit herrschte völlige Stille in meinem Office. Nur hin und wieder hörte man das leichte Geräusch, wenn Richway an der Zigarette zog. Der blaue Rauch stieg in gewundenen Schwaden hinauf zur Decke und löste sich schneller auf, je höher er kam.
»Sie sind sich darüber im Klaren«, sagte ich schließlich, »dass wir Anklage erheben werden wegen Mordes, nicht wahr?«
Er warf seine Zigarette auf den Fußboden und schrie plötzlich: »Ich habe ihn nicht erschießen wollen! Ihr könnt mir keinen Mord andrehen! Es war Zufall, dass ihn die Kugel von mir traf! Hören Sie: Es war reiner Zufall! Ich wollte ihn doch nicht umlegen!«
Ich grinste gemütlich.
»Das müssen Sie den Geschworenen erzählen, Richway. Vielleicht fallen die auf Ihre Geschichte rein. Aber es stehen ja auch noch verschiedene alte Rechnungen offen. Ich denke, dass man diesmal Ihnen eine Gesamtrechnung vorlegen wird. Und dabei haben Sie keine
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