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012 - Die Sekte des Lichts

012 - Die Sekte des Lichts

Titel: 012 - Die Sekte des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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verließ den Laborraum. Vittoris hatte kaum geschlafen während der vergangenen drei Nächte. Umzug, Installation des Labors, Kontrolle der Geräte, Versorgung der Ratten, Überprüfung der wachsenden Embryos und Betreuung der zwölf Frauen…
    Die Projekte liefen weiter. Das offizielle und Vittoris' Geheimprojekt. Weder er noch der Kardinal hatten auch nur eine Sekunde daran gedacht, abzubrechen. Im Gegenteil: Kardinal Josef war überzeugt davon, dass nach dem großen Gericht Gottes - als solches betrachtete er den heranrasenden Kometen - die Menschheit sich wieder dem Glauben öffnen würde. Und dann würde die Zeit reif sein für den großen Auftritt der Klone der Heiligen Drei Könige.
    Vittoris, stocknüchterner Jesuit und Wissenschaftler, konnte über so viel religiöse Romantik nur den Kopf schütteln. Er selbst dachte eher an die Milliarden von Toten, die schon morgen ohne Zweifel zu beklagen sein würden. Und bis Ende des Jahres würden nur ein paar Überreste der Gattung Homo sapiens zwischen Trümmern und in Erdlöchern herumkriechen. Sein Revitalisierungs-Perfusor würde die menschliche Rasse vor dem endgültigen Aus bewahren. Das war seine
    Überzeugung.
    Er blickte auf die Uhr: Kurz vor halb zwölf. Die LED-Lampen an der zerklüfteten Katakombendecke flackerten. Vermutlich würden sie noch vor dem Einschlag ausgehen. Vittoris konnte sich nicht vorstellen, dass angesichts der Apokalypse noch irgendjemand vor den Computern der E-Werke saß.
    Stimmen schollen ihm entgegen. Stimmen aus einem Fernsehgerät. Er betrat den Hauptraum der römischen Katakomben, die einst unter dem Dom entdeckt worden waren.
    Sie hatten ihn im Lauf der letzten drei Monate zu einem Saal erweitert. Ein zweiter Zugang reichte bis zum Rathausplatz. Und auch durch die Sakristei im Dom selbst konnte man die alten Katakomben betreten.
    Der Zentralraum war voller Menschen. Erstaunlich viel Kirchenvolk. Vittoris sah gut zwei Dutzend Mönche und etliche Nonnen.
    Auch den Domprobst, und selbst den Erzbischof erkannte er. Und die vier Frauen. Wie gebannt starrten alle auf die Beamer- Leinwand. Das ZDF übertrug die neuesten Bilder von »Christopher-Floyd«. Ein gleißender Feuerball zitterte auf der Leinwand. Darunter seine aktuelle Entfernung von der Erde und die noch verbleibenden Stunden bis zum errechneten Zeitpunkt des Einschlags. Vittoris interessierte nur die Zeitangabe: 5 hours, 13 minutes, 28 seconds…
    Er beugte sich zu Nina hinunter. »Wie gehts?« Sie zuckte zusammen und wandte ihm erschrocken den Kopf zu. Ein schmales blasses Gesicht, kurzes schwarzes Haar, große Rehaugen.
    Ihre schönen Züge verzogen sich zu einem bitteren Lächeln. »Wie solls gehen, Professorchen? Prächtig natürlich - endlich was los hier…«
    Schon seit er die Kunststudentin kannte, verblüffte sie ihn durch ihren galligen Humor. Er drückte ihre Hand und sie drückte seine. Verzweiflung schimmerte plötzlich in ihren feuchten Augen.
    Vittoris sah, dass zwei der Frauen geöffnete Weinflaschen in den Händen hielten. Junge Mädchen aus Kasachstan. Er widerstand dem Impuls, sie ihnen wegzunehmen. Sollten sie sich ruhig ein wenig betäuben.
    Durch einen niedrigen Durchgang betrat er einen langen Stollen. Im Ostteil der Katakomben hatten Bruder Ethelberg und Bruder Johannes den Generator und die Akkus aufgebaut. Keine zwanzig Meter entfernt vom eigentlichen Labor. Auch die Stromleitungen hatten sie in den letzten Monaten verlegt.
    Seitdem Vittoris die unausweichliche Katastrophe akzeptiert hatte, arbeitete er konsequent und hartnäckig an der Rettung seines Projektes.
    Kardinal Josef hockte im Gang vor dem Generator-Raum, umringt von Mönchen. Vittoris blickte in besorgte Gesichter. Der Kardinal war aschfahl. Schweiß stand auf seiner Stirn. Er presste die Rechte gegen die linke Brustseite.
    »Sein Herz«, sagte Ethelberg knapp.
    Vittoris ging vor dem Kardinal in die Hocke. Der Greis fasste seine Hand. »Werden wir es schaffen, Bruder Markus? Wird meine Vision Wirklichkeit werden?« Seine Stimme zitterte.
    Vittoris nickte. »Ich bin überzeugt davon.« Er tastete nach dem Puls des Kardinals. Sein Handgelenk fühlte sich an wie ein kalter morscher Ast. Und der Puls raste.
    Josef ließ Vittoris los und griff nach Bruder Ethelbergs Kutte. Er zog den jungen Dominikaner zu sich heran. »Du bist mein Vertrauter. Du glaubst an meine Vision…« Seine Stimme zitterte. »Führe mein Werk fort…führe es zu Ende…und sage den Drei, wem der Herr befohlen hat, sie

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