012 - Die Sekte des Lichts
ins Leben zu holen…sie sollen meinen Namen kennen…« Schwächer und schwächer wurde seine Stimme.
»Holt seine Medikamente«, wies Bruder Ethelberg die Mönche an. »Und bringt ihn in den Zentralraum.« Sie trugen den alten Kardinal fort.
Zusammen mit Ethelberg und Johannes überprüfte Vittoris den Generator. Fast zwei Stunden lang testeten sie ihn. Es war eine Art Dynamo, ein Wunderwerk der Feinmechanik, was die Übersetzung betraf. Ein Kubus von genau hundertneunzig Zentimetern Seitenlänge mit zwei Schwungrädern an der rechten und linken Außenseite.
Zwei Podeste standen darunter, auf jedem ein Fahrradgestell. Eine breite Leichtmetallfelge ersetzte das Hinterrad. Riemen verbanden die Felgen mit den Schwungrädern des Generators.
Durch eine Zwanziggang-Kettenschaltung ließen sich die Schwungräder ohne größere Anstrengung immerhin so weit auf Touren bringen, dass der Kollektor im Inneren des Generators über hundertzehn Umdrehungen machte. Genug um das Labor mit Strom zu versorgen.
Eine lächerliche Konstruktion im Zeitalter der Nanotechnik und Quantenelektronik. Aber gut genug, um den Absturz ins Mittelalter zu verhindern. Und um das EL-Projekt zu retten.
»Das Problem wird sein, immer zwei Menschen zu finden, die im Gegentakt in die Pedale treten«, sagte Ethelberg. Vittoris hatte ihn inzwischen eingeweiht.
Und der Dominikaner hatte Feuer für seine Geheimforschung gefangen.
»Ja, das ist ein Problem«, sagte Vittoris knapp. Es war ihm nicht gelungen, die Frage der Stromspeicherung endgültig zu lösen. Die Akkus dienten nur zur Überbrückung nach dem Stromausfall. Irgendwann konnte man vielleicht ein primitives Wasserkraftwerk bauen und mit Rheinwasser betreiben. Aber bis dahin mussten praktisch ununterbrochen zwei Personen auf den Antriebsrädern sitzen und treten. »Wir werden es lösen.«
Zurück im Zentralraum - noch immer die Apokalypse auf der Leinwand. Interviews mit Politikern und Wissenschaftlern wechselten sich mit Aufnahmen des heranrasenden Kometen ab. Steif und verkrampft standen und saßen etwa achtzig Männer und Frauen vor der Leinwand, die meisten von ihnen Geistliche.
Auf der Leinwand war das Gesicht eines Mannes zu sehen. Ein knochiges Gesicht mit einer kleinen stumpfen Nase und unnatürlich großen Augen. Vittoris kannte das Gesicht aus seiner Zeit in Berkeley, Kalifornien. Professor Doktor Jakob Smythe hieß der Mann. Ein hochkompetenter Astrophysiker. Sechs oder sieben Jahre war es her, dass Vittoris ihn kennenlernte. Schon damals waren ihm die Glubschaugen aufgefallen. Exophtalmus, dachte er, der Mann leidet unter einer Schilddrüsenüberfunktion… Unter seinem Bild der Countdown: 2 hours, 6 minutes, 49 seconds. Zwei Stunden, sechs Minuten und neunundvierzig Sekunden bis zum Weltuntergang…
Smythe gab bekannt, dass man den Kometen in weniger als anderthalb Stunden von der Internationalen Raumstation aus mit atomaren Sprengköpfen beschießen werde. Nicht um seine Bahn abzulenken, sondern um ihn zu zerbrechen.
Die Menschen im Raum sprangen auf.
Einige klatschten Beifall, andere begannen zu beten. Der Astrophysiker erläuterte Chancen und Risiken des Verzweiflungsschlages. Er selbst wolle in Kürze mit einer Flugstaffel aufsteigen, um die Wirkung des Beschusses zu beobachten.
Vittoris wandte sich ab. Auf einer Pritsche an der Stirnwand des Raumes lag Kardinal Josef Mönche knieten vor ihm auf dem Boden, darunter sein Assistent, Bruder Ethelberg. Der Kardinal war nicht mehr bei Bewusstsein.
»Herzinfarkt«, sagte der Dominikaner. Und dann leiser: »Er wird sterben.«
Der Glückliche, dachte Vittoris. Bevor er den Raum verließ, warf er noch einen Blick auf die Leinwand. Wieder der gleißende Stern. Mit fünfzig Kilometern pro Sekunde raste er angeblich heran. Unter dem faszinierenden Bild der Countdown: l hour, 59 minutes, 17 seconds…
In den improvisierten Laborräumen sah Vittoris nach den Embryonen. Er nahm die Messungen vor, trug alle Werte ins Protokoll ein, schloss Chrysler vom RV-Perfusor ab und setzte ihn in den Käfig zu Gates und Daimler. Mit gesträubten Fellhaaren hockten die Ratten in den Käfigecken. Sie bewegten sich nicht. Nur ihre Schnurrhaare vibrierten. »Keine Sorge«, sagte Vittoris. »Wir schaffen es. Ihr werdet länger leben als die meisten Lebewesen auf diesem Planeten…«
Er arbeitete ruhig und konzentriert. Als wäre nichts geschehen, spulte er seine Routine ab. Bevor er zurück zu den anderen ging, kramte er seinen MP7-Player aus dem
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