012 - Die Sekte des Lichts
angesprochene Greis nickte. »Und auch auf deinen Sohn.« Harris Attenau senkte den Blick.
»Sorgt dafür, dass die Gefangene ausreichend Coelsch trinkt. Wir lassen euch wissen, was weiter mit ihr geschehen wird.« Er hob beide Arme. »Und nun empfangt den Segen der Heiligen Drei.«
Nacheinander legte er die Hände auf die Köpfe der fünf Menschen. Zuerst auf Jannes, das Familienoberhaupt, dann auf Harris und seine Frau Gittis, und zuletzt auf deren Kinder Sabita und Schoosch. Auf dem blonden Haar der jungen Sabita ließ er seine Hand eine Nuance länger liegen. Er schenkte ihr sogar ein Lächeln. Sabita errötete.
Noch einmal drehte der Suprapas sich nach der schlafenden Gefangenen um. Aruula hing schief im Sessel und schnarchte. »Welch ein Glück für Coellen, dass wir sie erwischt haben.« Er wandte sich noch einmal an die Familie. »Gebt gut auf sie Acht.«
Endlich verließ er den Raum und das Haus.
Der Soldat und der Coelsch-Meister folgten ihm.
***
Köln, 8. Februar 2012
10:34 Uhr morgens. Noch tauchten die weißen Leuchtdioden Gänge und Kammern der Katakomben in helles Licht. Noch.
Seit den frühen Morgenstunden hetzte Kardinal Josef mit einer Gruppe Dominikaner durch das weitverzweigte Gangsystem unter Dom und Domplatte, um große Kerzen und Fackeln an den Wänden anzubringen. Vittoris hatte auf dieser Vorsichtsmaßnahme bestanden. Seine ganze Autorität hatte er dazu aufbieten müssen. Es war schwer, den Kleriker-Köpfen die Auswirkungen eines Kometeneinschlages einzuhämmern. Entweder verfügten sie über zu wenig Fantasie oder über zu wenig Realismus, sich die bevorstehende Katastrophe auszumalen. Wahrscheinlich fehlte ihnen beides, vermutete der Jesuit.
Vittoris selbst war gelassen. Jedenfalls seitdem der Umzug von Bad Godesberg nach Köln abgeschlossen war. Zwei Nächte zuvor hatten sie den letzten Möbelwagen voller Laborgeräte vor dem Dom entladen.
Niemand hatte sich groß um sie gekümmert. Wer auch? Kaum zwanzigtausend Menschen lebten noch in Köln. Millionen waren in den letzten Wochen in chaotischen Flüchtlingstrecks nach Westen gezogen. Oder hatten die Luftbrücke in die Vereinigten Staaten, nach Kanada und nach Australien genutzt, um sich vor der erwarteten Flut- und Druckwelle in Sicherheit zu bringen. Man ging davon aus, dass »Christopher-Floyd« irgendwo in den Weiten Russlands niedergehen würde.
Jedenfalls waren die Großraumjumbos im Halbstundentakt gestartet und gelandet. Wochenlang. Die Städte am Rhein glichen nun Geisterstädten - Düsseldorf, Leverkusen, Köln, Bonn. Und die Städte des Ruhrgebiets ebenfalls. Wer nicht geflohen war, zog in die Bunker um.
Schritte hallten aus dem Gang, der in den Raum führte, wo Vittoris die Ratten und den Revitalisierungs-Perfusor untergebracht hatte. Er sah einen seiner Assistenten heran hasten. Die Eile Bruder Ethelbergs schien ihm nichts Gutes zu bedeuten. »Schlechte Nachricht, Bruder Markus! Die Frauen. Nur vier waren bereit, mit in die Katakomben zu kommen.«
Vittoris presste die Lippen zusammen. Sie hatten lange nach zwölf Frauen gesucht, die bereit waren, sich die geklonten Embryonen einsetzen zu lassen. Zehn davon waren Flüchtlinge aus den Bürgerkriegsgebieten des ehemaligen Sowjetreiches.
Nur noch vier…daran konnte alles scheitern.
»Und Nina? Ist sie dabei?«
Der junge Dominikaner nickte. Er hatte längst durchschaut, dass Vittoris und die junge Frau mehr als nur die Wissenschaft verband.
»Gut«, seufzte der Molekularbiologe. »Es gibt für alles eine Lösung. Wir werden sehen. Wie weit seid ihr mit dem Generator?«
»Installiert«, sagte sein Assistent. »Auch die Akkus sind angeschlossen. Aber länger als dreißig Stunden werden sie kaum Strom liefern.«
»Ich weiß. Ich komme gleich nach vorn.«
Bruder Ethelberg verließ das Labor. Vittoris griff in den Rattenkäfig. Chrysler war dran. Er injizierte der Ratte ein leichtes Betäubungsmittel und schnallte sie auf die Minipritsche im Zentrum des RV-Perfusors. Er schloss die Infusionsschläuche an den Shunt am Hals des Tieres an. Und setzte sich an die Tastatur des Qu-Computers. Die Software war schnell aktiviert. Der Wissenschaftler musste den EL-Extrakt nicht mehr manuell verabreichen. Er hatte eine Software entwickelt, über die der Qu-Computer nicht nur eine exakte Dosis herstellen, sondern sie auch über den Perfusor in einer programmierten Zeitspanne verabreichen konnte.
Er stellte ein Schälchen Trockenfutter in den Käfig zu Daimler und Gates und
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