012 - Die weiße Wölfin
seine Augen waren blutunterlaufen. Er griff nach ihr, doch sie trat einen Schritt zurück, und er verfehlte sie.
»Nicht so schüchtern, Süße!« sagte der andere. »Komm mit auf unsere Bude!«
Coco warf ihnen einen eisigen Blick zu, der die beiden aber nicht sehr beeindruckte. Sie folgten ihr. Nach einigen Schritten blieb Coco stehen.
»Verschwindet!« zischte sie.
Doch die beiden ließen sich nicht abschütteln. Sie verfolgten sie weiter. Coco ging am Eingang zum Queen's Wood vorbei. Nach etwa fünfzehn Schritten sprang sie blitzschnell zwischen einige Büsche, wandte sich nach links und überquerte einen schmalen Weg. Sie hörte das wütende Geplärre der beiden Männer noch kurze Zeit, dann war es still.
Der Himmel war wolkenlos. Irgendwo schrie ein Nachtvogel, etwas raschelte im Gebüsch. Sie ging zielstrebig weiter. Es war kurz vor ein Uhr. Gleich vor dem Eingang Connaught Road lag ein kleiner Teich, der von einem schmalen Weg umgeben war, auf dem Bänke standen. Das schwarze Wasser des Teichs schimmerte unergründlich im fahlen Schein des Mondes.
Coco blieb unter einer Buche stehen. Von Dorian Hunter war nichts zu sehen. Zögernd betrat sie den Weg und wandte sich nach rechts. Nach zwei Schritten blieb sie entsetzt stehen, preßte beide Hände gegen die Brust, und ihre Augen weiteten sich.
Jemand hatte abgestorbene Äste und Reisig auf einen Haufen gelegt. Daneben stand eine Fünfliterkanne.
Panische Angst überfiel sie. Schon einmal hatte sie so einen Scheiterhaufen gesehen. Das war damals in Wien gewesen, als Dorian noch geglaubt hatte, daß sie ein treues Mitglied der Schwarzen Familie war. Er hatte sie auf einem Scheiterhaufen verbrennen wollen. Und jetzt hatte er sie zu einem geheimnisvollen Treffpunkt bestellt! Und der Scheiterhaufen – da gab es für sie keinen Zweifel – war wieder für sie bestimmt.
Hinter sich hörte sie Schritte. Entsetzt drehte sie sich um. Und dann lief sie los, als wären sämtliche Dämonen der Welt hinter ihr her. Sie rannte, bis sie den Ausgang erreicht hatte. Keuchend bog sie in die Gardens Road ein. Aus einem Gebüsch griffen zwei Hände nach ihr. Eine verkrallte sich in ihrer Schulter, die andere preßte sich auf ihren Mund. Verzweifelt wehrte sie sich.
»Halten Sie still, Coco!« vernahm sie Cohens Stimme.
Sie entspannte sich.
»Kommen Sie ins Gebüsch!«
»Wie haben Sie mich gefunden?« fragte sie schwer atmend.
Cohen grinste. »Das war recht einfach. Wir platzierten in Ihrer Handtasche einen Sender. Weshalb sind Sie wie eine Verrückte aus dem Park gerannt?«
»Neben dem Teich ist ein Scheiterhaufen errichtet«, keuchte Coco.
Cohen kniff die Augen zusammen. »Ich verstehe«, sagte er langsam.
Er wußte von Hunter, wie dieser Coco kennengelernt hatte.
»Wo ist der O. I.?« fragte Coco.
»Er wartet in seinem Wagen«, sagte Cohen. »Wir haben fast zwanzig Leute im Einsatz. Der Park ist umstellt. Wir wissen nur nicht, ob Hunter schon da ist oder erst kommen wird. Aber wir werden ihn erwischen. Sie müssen bei mir bleiben, sonst gefährden Sie unseren ganzen Plan.«
Coco schloß die Augen. Dorian mußte tatsächlich übergeschnappt sein.
Ich erreichte den Park kurz nach Mitternacht. Er war völlig menschenleer. Ich schlenderte langsam zum Teich, setzte mich auf eine Bank, rauchte eine Zigarette und wartete zwanzig Minuten; dann stand ich auf und verließ Queen's Wood wieder. Ich überlegte, ob es besser war, kurz nach Mitternacht zu dem vereinbarten Treffpunkt zu kommen oder erst später. Es war natürlich denkbar, daß Coco nicht kam. Außerdem war es auch möglich, daß sie unseren Treffpunkt dem O. I. verraten hatte.
Ich rannte fast aus dem Park in Richtung Queen's Wood Road. Um diese Zeit war in dieser Gegend kein Lokal mehr geöffnet. Ich drückte mich in den Schatten eines Haustors und wartete.
Immer mehr Möglichkeiten fielen mir ein. Vielleicht wollte mich Coco wirklich treffen, aber sie konnte das Haus nicht verlassen, oder sie wurde verfolgt. Ich rauchte hastig eine weitere Zigarette. Es war nun halb eins geworden. Wenige Autos kamen an mir vorbei und kaum Fußgänger.
Ich beschloß, den Park zu betreten und mich in einem Baum zu verstecken. Nochmals sah ich mich um, doch es war nichts Verdächtiges zu bemerken. Ich erreichte nach wenigen Schritten eine Baumgruppe. Es bereitete mir keine Schwierigkeiten, einen der Bäume zu besteigen. Ich kroch immer höher und lehnte mich dann gegen den dicken Stamm. Von meinem Platz aus konnte ich
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