0121 - Horror-Urlaub
entsetzt auf.
Als sie sich ein Herz faßte und an das Fenster ging, sah sie Ole Munk, den Schwachsinnigen. In großen Bocksprüngen hetzte er davon.
***
Neuigkeiten verbreiteten sich schnell auf Anholt. Die Menschen wohnten eng beieinander, und niemand konnte ein Geheimnis lange für sich behalten. Freundschaft und Blutsverwandtschaft taten ein übriges. Jede Nachricht, hinter der vorgehaltenen Hand im Vertrauen weitergegeben, machte blitzschnell die Runde.
So war es nicht verwunderlich, daß sich die beiden getrennt operierenden Gruppen bald zusammenschlossen.
Holger Jerup suchte Professor Zamorra auf. Er traf ihn an der Mole beim Angeln, nicht gerade eine Beschäftigung für jemanden, der Gespenster jagte.
»Tagsüber habe ich natürlich frei«, lächelte Zamorra. »Wie Sie wissen, treten unsere Freunde aus dem Reich des Übersinnlichen und Übernatürlichen in der Regel nur nachts auf.«
»Das ist wohl das einzige, was ich von derlei Dingen weiß«, seufzte der Lehrer.
Er musterte dabei verstohlen Nicole Duval, die zu Füßen des Meisters hockte und darauf wartete, daß er etwas fing.
Selbst ein Frauenkenner wie Holger Jerup mußte bekennen, daß er ein so hübsches Mädchen nicht zu Gesicht bekommen hatte, seit er sich ernsthaft für das weibliche Geschlecht interessierte.
Zamorra selbst sah auch keineswegs aus wie ein Geisterbeschwörer. Er war ein großer, schlanker Mann in mittleren Jahren. Sein Auftreten war eindrucksvoll. Eigentlich sah er ausgesprochen sportlich aus.
Zamorra blickte den Lehrer an.
»Tut mir leid, wenn ich auf Anholt nicht sofort mit Blitz und Donner in Erscheinung getreten bin«, lächelte der Franzose. »Ich hoffe nur, daß ich trotzdem das Vertrauen der Leute rechtfertigen werde.«
Holger Jerup nickte.
»Davon bin ich überzeugt«, erwiderte er. »Ich selbst käme allein nicht weiter. Zu ungewohnt ist das Gebiet, auf dem ich mich bewege.«
Sie gingen zum Jeep des Lehrers.
»Wir leben hier ohne Komfort«, entschuldigte sich Jerup. »Sicher sind Sie andere Wagen gewöhnt. Aber für den Sand und die unbefestigten Wege der Insel gibt es nichts Besseres als einen Jeep.«
Sie verstauten die Angelutensilien des Professors und stiegen ein. Nicole Duval setzte sich in den Fond.
»Haben Sie schon erste Erkenntnisse gewonnen?« fragte der Lehrer neugierig, während er den Motor startete.
»Es ist zu früh, darüber zu sprechen«, lautete Zamorras Erwiderung.
Aufmerksam schaute er sich um. Er studierte die Leute, sammelte immer noch Eindrücke von der Insel, und sein photographisch genaues Gedächtnis hielt jede Einzelheit fest.
Die Zahl der Akteure auf Anholt war begrenzt. Einer von ihnen mußte der sein, der die Fäden in der Hand hielt. Aber wer?
Sie unterhielten sich auf französisch.
Holger Jerup beherrschte die Sprache leidlich. Manchmal fand er eine Vokabel nicht schnell genug oder beging einen grammatikalischen Fauxpas. Aber er konnte sich gut verständlich machen; darauf kam es schließlich an.
Sie fuhren zum Schulhaus in der Altstadt.
»Wie romantisch«, schwärmte Nicole Duval, als sie im Wohnzimmer saßen.
»Ein Château de Montagne, wie Sie es an der Loire bewohnen, kann ich Ihnen natürlich nicht bieten«, meinte Holger Jerup. »Ich bin daher froh, daß Sie trotzdem meine Einladung angenommen haben.«
»Sie sind gut informiert«, lobte Zamorra.
»Ich habe mehrmals meinen Urlaub in Frankreich verbracht und bin dabei auch ins Tal der Loire gekommen. Eben wegen der berühmten Schlösser. Dabei habe ich Ihren Besitz gesehen. Die nötigen Informationen holte ich mir bei einem Wirt«, erläuterte der Däne.
Er stand auf und machte ein ziemlich feierliches Gesicht.
»Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, daß Sie uns Ihre kostbare Zeit opfern wollen, Herr Professor.«
»Keine Ursache. Ich wäre nicht gekommen, wenn es sich um irgendwelche Poltergeister gehandelt hätte oder die Tatsache, daß eine Witwe Verbindung mit dem Geist ihres verstorbenen Mannes aufnehmen wollte«, erwiderte der Franzose. »Aber Ihre Nachricht hat mich alarmiert. Es sieht so aus, als würden Menschen zú Schaden kommen. Diese deutsche Lehrerin hat Furchtbares erlebt. Sie und ihr Wirt wurden verletzt. Wir sollten das nicht auf die leichte Schulter nehmen.«
»Sie denken an Mord?«
»Das kann jederzeit passieren. Noch fehlen mir Informationen, aber ich glaube, es handelt sich um einen Mann mit erstaunlichen parapsychologischen Kenntnissen und Fähigkeiten. Ich habe einen ebenbürtigen
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