0121 - Horror-Urlaub
Parapsychologie konnte der Däne nicht ganz vergessen, daß seine Frau ihn im Stich gelassen hatte.
Bjoerner ging zum Wohnzimmerschrank, öffnete eine Schublade und kramte in einem Pappkarton, der randvoll mit Photographien war.
Er kehrte mit einem halben Dutzend Aufnahmen zurück.
»Hier ist sie«, meinte Bjoerner leise.
Er vermied es, den Namen seiner Frau auszusprechen. Für einen aufmerksamen Zuhörer und Beobachter wie Professor Zamorra ein Beweis, wie sehr Bjoerner seine Frau noch immer haßte. Das paßte gut in das Gesamtbild.
Bjoerner hatte nur Bilder ausgewählt, die seine junge, hübsche Frau in voller Kleidung zeigten. Badeszenen gab es nicht. Auch dies ein Hinweis, der gewisse Rückschlüsse zuließ.
Zamorra war gewohnt, seine Kombinationen nicht nur auf dem zu gründen, was die Menschen taten, sondern ebenso sehr auf dem, was sie Unterließen.
Rik Sung schien das begriffen zu haben. Er wußte, was Zamorra dachte. Und er bewahrte seine Fassung nur aufgrund eines langen Trainings und eiserner Selbstdisziplin.
Die Ähnlichkeit zwischen der Frau Bjoerners und der deutschen Lehrerin war nicht zu übersehen.
Als sich Professor Zamorra jetzt nach dem Koreaner umdrehte, war dieser verschwunden. Er hatte sich so lautlos entfernt, daß niemand etwas gehört hatte.
Ein seltsames Gefühl beschlich Zamorra, ohne daß er zu sagen wußte, was es für eins war. Er spürte nur drohendes Unheil.
***
Marion Theben hatte ihre Badesachen zusammengepackt und sich auf den Weg gemacht, der sie zu jenem Teil des Strandes führte, wo es um diese Zeit noch sehr belebt war.
Jede Art von Ausflügen - gar in den Norden von Anholt - waren für sie durch die Gefangenschaft in dem Hünengrab und den rätselhaften Erscheinungen, die sie in der dunklen Höhle gehabt hatte, streng tabu. Sie hielt sich ängstlich an die ausgetretenen Pfade der Dänemarkurlauber, die ihre Freizeit auf der Insel im Kattegat verbrachten. Sie wußte nicht sehr viel über die Dinge, mit denen Professor Zamorra täglich zu tun hatte. Er war der Experte. Mochte er herausfinden, wer hinter dem Treiben in den Dünen steckte.
Die Lehrerin fand ein ruhiges Plätzchen, geschützt gegen die Seebrise und eine Kleinigkeit abseits des allgemeinen Rummels, dennoch nah genug, um rechtzeitig Hilfe herbeirufen zu können.
Kinder mit bunten Gummitieren tummelten sich im flachen Wasser, beaufsichtigt von den Eltern. Die größeren Kinder wateten weiter hinaus, versuchten, kleine Schollen zu fangen und Krebse, die sie mit den Füßen aufscheuchten.
Die Fische schossen im Zickzack durch das klare Wasser, suchten die nächste Höhlung und landeten meist unter den bloßen Füßen des Jägers. Wer schnell genug war, konnte die Plattfische dort greifen.
Marion Theben zögerte nicht lange. Sie lief durch den warmen Sand. Die Temperatur war erträglich, obgleich die Sonne bereits ziemlich tief stand. Das Wasser war frisch, aber nicht zu kalt. Durch die Wellen der Brandung, denen man ausweichen mußte, spürte man die Kälte kaum.
Marion Theben watete ins Meer, bis das Wasser ihre Schultern erreichte. In endloser Folge rollten blaugrüne und schieferblaue Wogen auf sie zu. Jede siebte fiel reichlich hoch aus. Dann sprang die Frau jedesmal in die Luft, brachte ihren Kopf gerade noch aus dem Wasser. Das Bad war erfrischend, aber auch anstrengend.
Marion Theben genoß zum erstenmal ihren Urlaub.
Sie glaubte, daß noch herrliche Tage vor ihr lägen. Die einzige Beeinträchtigung der Urlaubsfreude erwartete sie vom Wetter, nachdem Professor Zamorra die mysteriöse Angelegenheit in die Hand genommen hatte.
Der Strand leerte sich.
Marion Theben ging zurück zu ihren Sachen. Sie trocknete sich gründlich ab. Jetzt, da sie im Wind stand, merkte sie erst, wie kühl es geworden war, und rubbelte mit dem Frottiertuch über ihren Körper, bis er krebsrot glühte.
Sie warf eine Bluse über. Dann hüllte sie sich in eine zweite Decke und saß zwischen Strandhafer im Sand, schaute auf das Meer und wartete darauf, daß sich ihr Körper wieder erwärmte. Sie wollte zurück, zumal sich mittlerweile außer ihr nur noch ein Ehepaar mit zwei Kindern am Strand aufhielt. Die Familie rüstete zum Aufbruch, konnte sich aber gegen den lautstarken Protest der beiden Sprößlinge kaum gehaupten. Der Vater brüllte, die Mutter verteilte Kopfnüsse. Für wen zahlte sich der Urlaub eigentlich aus?
Lächelnd wandte sich Marion Theben um.
Wenn sie sich in der Schule mit mehr als vierzig Kindern
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