0121 - Horror-Urlaub
ähnlich verhielte, wäre sie nicht lange im Amt. Daß die Leute Tugenden immer nur von anderen verlangen, dachte sie.
Marion Theben schaute überrascht auf, als von der Böschung, in deren Windschatten sie lag, Sand herunterrieselte.
Sie wollte schreien, brachte aber keinen Ton heraus. Über ihr stand halbgeduckt der Mann mit dem Dreispitz. Diesmal verbarg er sein Gesicht hinter einer seidenen Maske.
Mit heiserem Knurren sprang er die junge Frau an.
Marion Theben ging zu Boden.
Der Angreifer begrub sie unter sich. Blitzschnell hielt er ihr den Mund zu. Seine Rechte preßte sich auf den Mund der Lehrerin.
»Keinen Laut!« zischte der Unbekannte. »Sonst erlebst du den Sonnenuntergang nicht mehr.«
Er sprach englisch.
Marion Theben dachte an einschlägige Warnungen der Kriminalpolizei, einen Verbrecher durch sinnlose Gegenwehr nicht noch zu reizen. Sie konnte nur hoffen, daß das Rezept nicht versagte. Regungslos blieb sie liegen, den Mann über sich, der durch Gras und Heide nach den Zeugen des Überfalls spähte.
Vater und Mutter waren viel zu sehr mit ihren Kindern beschäftigt, als daß sie auf die Umgebung geachtet hätten. Sie bewachten die Sprößlinge, die sich die Füße im Meer abspülten, abtrockneten und in ihre Turnschuhe schlüpften.
Die Gruppe zog langsam ab. Die Lehrerin resignierte. Wind und Wellen hätten jeden Hilfeschrei erstickt.
Die junge Deutsche zitterte vor Angst und wandte das Gesicht ab, spürte aber den heißen Atem an ihrem Hals. Der Mann lag unbeweglich da, wie ein Raubtier, das eine Beute geschlagen hat. Er rührte sich nicht, bis die Luft rein schien.
Dann gab er sein Opfer frei, aber nur, um einen Strick zum Vorschein zu bringen. Er befahl ihr in barschem Ton, die Hände auf den Rücken zu nehmen und sich umzudrehen.
Er schien sich seiner Sache sehr sicher zu sein, befürchtete offensichtlich keine Gegenwehr, vielleicht, weil er die Frau um Haupteslänge überragte.
Die deutliche Geringschätzung ihrer körperlichen Kraft irritierte Marion Theben. Das machte sie wütend. War sie niemand? Sie durfte sich rühmen, nicht gerade unsportlich zu sein. Dies hier war etwas anderes als der feige Überfall am Hünengrab. Sie sah, daß sie es mit einem Menschen aus Fleisch und Blut zu tun hatte. Und schließlich war sie kein hilfloses Opferlamm.
Blitzschnell stellte die Lehrerin dem Mann ein Bein und stieß ihm mit aller Kraft vor die Brust. Er taumelte und schwankte, war völlig überrascht, fiel aber nicht. Jäh ließ er den Strick fallen und packte Marion Theben an den Oberarmen. Stumm rang er mit ihr. In seinem hageren Körper steckte mehr Kraft, als sich vermuten ließ. Der Griff der Hände, die in schwarzen Handschuhen steckten, erwies sich als eisern. Langsam zwang der Angreifer die Frau in die Knie. Kein Wort fiel. Der Mann atmete nur etwas heftiger.
Wütend packte Marion Theben nach der Seidenmaske, riß das Ding herunter.
Die Lehrerin schrie auf.
Nicht ein Gesicht zeigte sich, sondern eine Dämonenfratze. Bizarr, schrecklich, furchteinflößend.
Der Mann mit dem Dreispitz nutzte seine Chance. Er warf das Opfer zu Boden, kniete sich auf die Frau und verdrehte ihr die Arme. Dann fesselte er sie langsam und gründlich.
»Noch so ein Ding, und ich verliere die Geduld!« keuchte der Mann mit dem Dreispitz und der grauenhaften Maske.
Er stieß sein Opfer vorwärts.
»Darf ich mich wenigstens anziehen?« fragte Marion Theben zitternd.
»Wozu? Das ist reine Zeitverschwendung.«
Der Kerl lachte hämisch.
Er stieß die Gefesselte rücksichtslos vor sich her. Die Badesachen der Lehrerin blieben zurück; und die schwarze Maske des Angreifers, die nicht sein Gesicht, sondern die noch schrecklichere Dämonenmaske verhüllt hatte. Marion Theben drehte sich nur einmal um, während sie dem unbekannten Ziel entgegenstrebten. Sie ertrug den Anblick des verzerrten Gesichtes mit den hervorquellenden Augen kaum noch. Die Maske war scheußlich bemalt und wirkte satanisch.
Die Stimme des Mannes klang hohl und dumpf.
Wer kostümierte sich so mitten in Europa, in Dänemark?
Marion Theben mochte nicht einfach den Schluß ziehen, daß es sich um einen Verrückten handelte. Zu zielsicher handelte der Mann in seinem Haß, dessen Gründe ihr unbekannt waren.
Die ganze Zeit über betete die Lehrerin stumm, irgend jemand möge ihren Weg kreuzen und sie aus der Gewalt dieses Unholds befreien.
Aber niemand ließ sich blicken. Zu ungünstig war die Tageszeit. Die meisten saßen am
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