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0121 - Ich suche Jerry Cotton

0121 - Ich suche Jerry Cotton

Titel: 0121 - Ich suche Jerry Cotton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Werner Höber
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vielleicht ein hübsches Mädchen zum Vorschein gekommen. In ihrem augenblicklichen Zustand hätte ein Hellseher nicht entscheiden können, ob sie von Natur aus hübsch oder häßlich war.
    »Erkennen Sie ihn?« raunte mir Watkins zu.
    Ich stutzte.
    »Wen?«
    »Na, den da!«
    Er zeigte auf den Kranken.
    »Das soll der neue Mann sein?«
    »Ja!«
    Ich ließ den Kopf hängen. Das war Jerry nicht. Alle meine hochgespannten Erwartungen verflogen mit einem Schlage. In meiner Brust war ein dumpfer Schmerz. Die letzten beiden Tage hatten mich mit soviel Hoffnung erfüllt, daß die Enttäuschung in diesem Augenblick doppelt stark wirkte.
    Ich drehte mich wortlos um und ging zurück zu unserem Wagen, den wir gut abgeschlossen außerhalb des Dorfes hatten stehen lassen. Watkins kam mir nach, wie ich an seinen Schritten hörte.
    »Stop!« gellte plötzlich eine scharfe Männerstimme durch die abendliche Stille.
    Ich kümmerte mich nicht darum.
    Ein Kanonendonner erscholl, der mir fast das Trommelfell zerriß. Etwas sirrte heiß und bösartig dicht an meinem Kopf vorbei.
    Ich warf mich herum.
    Watkins stand ein paar Schritte hinter mir. Er war vernünftiger gewesen und hatte sich anscheinend gleich umgedreht. Noch ein paar Schritte weiter standen vier bärtige Männer. Zwei von ihnen hielten Gewehre in der Hand, die so alt waren, daß sie nicht einmal in einem Museum zu sehen waren. So etwas Uraltes konnte nur aus Europa kommen.
    Unter den vier Männern hatte einer bereits grauweißes Haar. Er trat einen Schritt vor und sagte:
    »Zurückkommen, Männer! Ich will mit euch sprechen.«
    Einen Augenblick zögerte ich. Derart lasse ich' mich ungern kommandieren. Aber diese Männer würden schießen, wenn man ihnen nicht gehorchte. Und ich bin FBI-Beamter. Ich habe keine Schießerei heraufzuprovozieren.
    Also ging ich zurück. Watkins ebenfalls. Bis wir ein paar Yards vor den Männern nebeneinander stehenblieben.
    Watkins trug seine Uniform; die Burschen mußten also wissen, wen sie vor sich hatten. Trotzdem schien es ihnen in keiner Weise zu imponieren.
    »Was haben Sie im Dorf gesucht?« fragte der Älteste.
    Watkins deutete mit dem Kopf auf mich:
    »Dieser Mann sucht seinen Freund, der seit einigen Tagen verschollen ist. Er hörte, hier im Dorf sei ein neuer Mann, den wollte er sich ansehen.«
    »Hier ist kein neuer Mann.«
    »Natürlich ist hier ein neuer Mann, Pedro! Lüge mir nichts vor! Der Kranke war nicht immer hier.«
    Ein breites Grinsen ging über das Gesicht des Alten:
    »Kranker war nicht immer krank, aber schon immer hier! Sie haben ein schlechtes Gedächtnis, Capitano! Sie haben schon vor vielen Monaten mit Raphaelo gesprochen! Jetzt sieht er böse aus, und Sie erkennen ihn nicht wieder!«
    »Ich habe niemals mit einem Raphaelo gesprochen!« widersprach Watkins. »Das weißt du sehr genau, du alter Gauner.«
    »Capitano, Sie haben wirklich ein sehr schlechtes Gedächtnis. Das ganze Dorf weiß noch, wie Sie mit Raphaelo gesprochen haben! Das ist viele Monate her! Raphaelo sprach fast zehn Minuten mit Ihnen. Alle Männer und Frauen im Dorf haben es gesehen.«
    Watkins wandte sich mir zu:
    »Na, was habe ich Ihnen gesagt, Decker? Ich habe den Kerl vorhin das erste Mal gesehen, das kann ich Ihnen schwören. Aber wollen Sie gegen diese Bande ankommen? Völlig sinnlos, sage ich Ihnen.«
    Er hatte recht. Ich wandte mich dem Alten zu:
    »Es ist unwichtig, ob der Mann schon lange oder noch nicht lange im Lager ist. Der Mann, den ich suche, ist es nicht.«
    Der Alte legte den Kopf auf die Seite und sah mich lange an. Dann nickte er plötzlich und sagte:
    »Gut. Sie können gehen, Gentlemen.«
    Er drehte sich um und verschwand mit seinen drei Freunden in einer der Buden. Einen Augenblick lang sahen wir ihm nach, dann stampften wir zurück zum Wagen.
    ***
    Noch in dieser Nacht fuhr ich zurück nach New York.
    Die ganze Rauschgiftgeschichte, das verrückte Dorf mit seinen Vorzeitsitten, der Sand in Ackermanns Hosenaufschlägen - es konnte mir alles gestohlen bleiben. Was interessiert es mich noch, ob ein Fall mit dem Stempel »abgeschlossen« oder mit dem roten Stempel »zur erneuten Vorlage«, der schönen Umschreibung für ungelöst, zu den Akten kam.
    Ich war dabei, den Versuch zu unternehmen, die Dinge »realistisch« zu sehen, wie man so schön sagt.
    Gib dich keinen Illusionen hin, Phil Decker, sagte eine böse Stimme in meinem Gehirn. Weißt du noch, wie viele Tage es her sind, seit Jerry verschwunden ist? Versuch mal, sie zu

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