0122 - Nachts, wenn der Todesbote kommt ...
können, Professor?« fragte der Commissioner.
»Grundsätzlich traue ich mir das zu«, antwortete Zamorra. »Unter einer Voraussetzung natürlich.«
»Und die wäre?«
»Ich müßte ihm erst einmal Auge in Auge gegenüberstehen.«
»Sie können ihn nicht selbst aufspüren?« Erste Enttäuschungen machten sich im Gesicht des Polizeichefs breit.
Der Professor schüttelte den Kopf. »New York ist eine riesige Stadt, in der es sehr viel Böses gibt. Ich müßte schon ein paar Anhaltspunkte haben. Besitzt dieser Luke Giordano Verwandte?«
Ein jüngerer Mann, den man Zamorra als Lieutenant McCracken vorgestellt hatte, ergriff das Wort.
»Giordano hat eine Tochter«, gab er Auskunft. »Roberta. Er soll sehr an ihr gehangen haben, wurde mir gesagt.«
»Na, das ist doch schon etwas«, entgegnete der Professor. »Ich benutze das Wort Lockvogel nicht gerne, aber in einem Falle wie diesem…«
McCrackens Miene verdüsterte sich. »Roberta Giordanos Aufenthaltsort ist unbekannt. Alles spricht dafür, daß sie entführt worden ist.«
»Entführt? Von ihrem Vater?«
»Nein. Ich glaube nicht, daß Luke Giordano schon weiß, daß seine Tochter verschwunden ist. Ich vermute vielmehr, daß zwei ehemalige Komplizen Giordanos das Mädchen in ihre Gewalt gebracht haben.«
»Warum?«
Der Lieutenant zuckte die Achseln. »Auch das ist nur eine Vermutung. Ich könnte mir vorstellen, daß sie ihren ehemaligen Komplizen unter Druck setzen wollen. Es geht da um eine Million Dollar aus einem gemeinschaftlichen Bankraub. Möglicherweise hat Giordano, als er noch lebte, seinen Kumpanen die Beute vorenthalten.«
»Und diese beiden Komplizen… Sind sie verhaftet worden?«
Ein humorloses Lächeln umspielte McCrackens Lippen. »Ich hatte die beiden Kerle verhaftet. Aber es gibt Richter in diesem Land… Well, ich habe keine Beweise, nur einen Verdacht. Die beiden Kerle werden jetzt laufend beschattet, und auch ihr Telefon wird überwacht. Wer weiß, vielleicht meldet sich Giordano bei ihnen.«
»Das waren die beiden Kerle aus dem Hochhaus«, raunte Bill dem Professor zwecks näherer Erläuterung zu.
Zamorra nickte. Er begriff schon, wie die Dingen zusammenhingen.
»Die Wohnung Giordanos - wird die auch überwacht?« erkundigte er sich.
»Im Haus sind zehn Beamte postiert.«
»Auch in der Wohnung selbst?«
Der Lieutenant verneinte. »Es ist niemand in der Wohnung. Deshalb hielt ich es nicht für angebracht…«
»Ich glaube, das ist ein Fehler«, sagte Zamorra. »Wenn Giordano noch nichts von der möglichen Entführung seiner Tochter weiß… Ist es nicht naheliegend, daß er sie anruft? Noch dazu, wenn er merkt, daß es im Haus nur so von Polizisten wimmelt, und er sich nicht zum zweiten Mal persönlich hineinwagt?«
Ein anderer Beamter schaltete sich ein. Er warf McCracken einen ungnädigen Blick zu. »Der Professor hat vollkommen recht. Sie haben da einen schweren Fehler gemacht, McCracken. Lassen Sie sofort einen Mann…«
Der Professor unterbrach den Sprecher. »Ich würde eine Frau an Giordanos Telefon setzen. Wenn er eine Männerstimme hört, wird er wahrscheinlich sofort auflegen.«
»Und was soll diese Frau ihm sagen, wenn er anruft?« wollte McCracken wissen. »Ehrlich gesagt, Professor, ich sehe wenig Sinn…«
»Ich schon, Lieutenant. Ihre Beamtin sagt Giordano ganz einfach, daß seine Tochter wahrscheinlich von diesen beiden Kerlen entführt worden ist. Die Chancen, daß er daraufhin seinen alten Komplizen auf den Pelz rückt, beurteile ich als nicht schlecht. Wenn er sehr an seiner Tochter hängt, wäre das naheliegend. Was meinen Sie?«
Diesem Argument konnte sich McCracken nicht verschließen. Er ging sofort, um das Nötige zu veranlassen.
Der Commissioner fragte: »Und wenn Giordano dann wirklich bei den anderen beiden Gangstern auftaucht, Professor… Sind Sie dann in der Lage, ihn zu überwältigen?«
Zamorra legte die Hand auf sein Amulett.
»Ich hoffe es, Commissioner«, sagte er. »Ich hoffe es.«
***
Luke Giordano fühlte sich unendlich einsam. Wie ein Verlorener irrte er durch New York - immer auf der Jagd nach neuer Lebensenergie und gleichzeitig auch immer auf der Flucht vor den Menschen, die anders waren als er.
Er wußte inzwischen, daß die Polizei ihn suchte und jagte, wie sie nie jemanden vor ihm gejagt hatte. Sicher, ihre Kugeln und ihre sonstigen Waffen konnten ihm nichts anhaben. Und doch konnten sie ihm gefährlich werden. Wenn es ihnen gelang, ihn zu isolieren, ihn von neuer
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