0122 - Nachts, wenn der Todesbote kommt ...
Lebensenergie abzuschneiden, dann war er verloren.
Ein paarmal hatte er schon daran gedacht, einfach aufzugeben, hatte er daran gedacht, wieder in das dunkle Reich zurückzukehren, aus dem er gekommen war. Er hatte sich dieses zweite Leben nicht gewünscht, und je mehr er darüber nachdachte, desto sinnloser erschien es ihm.
Aber da war diese Gier in ihm, dieser Hunger, den er nicht kontrollieren konnte, der ihn immer wieder zwang, neue Opfer zu suchen, die er in leblose Hüllen verwandeln mußte, um selbst weiterleben zu können.
Und da war der Gedanke an Roberta.
Noch immer war es ihm nicht gelungen, Verbindung mit ihr aufzunehmen. Noch einmal die Wohnung aufzusuchen, wagte er nicht. Er wußte, daß die Cops dort auf ihn lauerten, um ihn zu vernichten.
Und wie es aussah, hielt sich Roberta auch gar nicht in der Wohnung auf. Ein paarmal hatte er auch schon versucht, sie anzurufen. Aber sie hatte sich nie gemeldet.
Wo, um des Satans willen, war sie?
Eine Telefonzelle, die aus dem Dunkel der Nacht auftauchte, veranlaßte ihn, es abermals zu versuchen. Wenn sich Roberta für ein paar Tage bei einer Freundin aufgehalten hatte - vielleicht war sie inzwischen zurückgekommen.
Er betrat die Telefonzelle, warf Münzen ein, die er einem seiner letzten Opfer abgenommen hatte, und wählte.
Tut, machte es, tut, tut, tut…
Schon wollte er resigniert wieder auflegen. Da aber wurde plötzlich am anderen Ende der Leitung abgenommen.
»Hallo?« Der Hauch einer weiblichen Stimme.
Luke Giordano hatte kein Herz, das schneller schlagen konnte. Sein Herz arbeitete schon längst nicht mehr, denn an seine Stelle war eine andere Kraft getreten. Dennoch fühlte er etwas in sich, das nichts mit dieser Kraft zu tun hatte.
»Roberta!« flüsterte er fast tonlos.
Und dann erkannte er, daß die Frau am anderen Ende nicht seine geliebte Tochter war.
»Sind Sie das, Luke Giordano?« hörte er. »Legen Sie nicht auf. Ich kann Ihnen sagen, wo Ihre Tochter ist!«
»Wo? Wo ist sie?«
»Entführt, Mr. Giordano, entführt von Ihren alten Freunden Plant und Fetterman. Sie können sich denken, warum, nicht wahr?«
Luke Giordano legte den Hörer auf die Gabel zurück. Er brauchte nicht zu fragen, wer da mit ihm gesprochen hatte. Eine Polizistin natürlich. Dennoch sah er keine Veranlassung, an ihren Worten zu zweifeln.
Fetterman und Plant! Darum also war er den beiden auf dem Flur vor seiner Wohnung begegnet!
Sie hatten Roberta in ihre Gewalt gebracht, um ihm die Million abzupressen. Sie wußten, wie er zu seiner Tochter stand, und rechneten damit, daß…
Giordano stieß die Telefonzellentür auf und trat wieder hinaus auf die Straße.
Ins Village! schrie es in ihm. In die Perry Street, wo Kevin Plant wohnt!
Sofort aber wurde ihm klar, daß er damit einen Fehler machen würde. Warum hatte ihn das Weib von der Polizei informiert? Damit er umgehend zu Plant oder Fetterman eilte, natürlich! Und dort würden sie dann auf ihn warten…
Abrupt drehte sich Giordano um und kehrte in die Zelle zurück. Möglich, daß sie auch das Telefon abhörten. Aber das spielte keine Rolle. Er wollte Gewißheit.
Ein paar Augenblicke später hatte er Plants Nummer gewählt. Sein ehemaliger Komplize meldete sich sofort.
»Ich bin es«, sagte Giordano.
»Ah, mein lieber Freund Luke«, hörte er Plant sagen, der über den Anruf weder erschrocken, noch erstaunt zu sein schien. »Dachte ich mir doch, daß du täglich die Zeitungen liest. Die Gewohnheit eines alten Immobilienspekulanten, wie?«
Giordano wußte nicht, wovon er redete. Und es interessierte ihn auch nicht. Ihn interessierte etwas ganz anderes.
»Wo habt ihr Roberta?« zischte er. »Sag es mir, oder ich werde dich töten. Noch in dieser Nacht!«
Plant lachte. »Langsam, langsam, alter Freund. Wie hieß es doch in unserer Anzeige? Zug um Zug!«
Jetzt verstand Giordano. Plant und Fetterman hatten offenbar unter der grotesken Voraussetzung, daß er regelmäßig Zeitungen las, eine Anzeige aufgegeben, in der sie ein Tauschgeschäft vorschlugen: Roberta gegen das Geld.
»Also, Luke, wo ist die Million? Wenn du es jetzt nicht ausspuckst, wird dein reizendes Töchterlein elend eingehen!«
»Ich werde dich töten, Plant!«
Wieder lachte Plant. »Glaube ich nicht, alter Freund. Nur ich und Buzz wissen, in welchem Loch deine Roberta steckt. Wenn du uns umbringst, wird sie kein Aas finden. Und dann… Wie gesagt, sie wird jämmerlich verhungern!«
Luke Giordano kannte seine alten Komplizen. Sie
Weitere Kostenlose Bücher