0124 - Wir entrissen den Raubtieren ihr Opfer
Barmann aufzufordern, uns sofort anzurufen, wenn das Pärchen wieder erscheine, aber das würde bestimmt die gegenteilige Wirkung haben. Wenn Pat erst erfuhr, dass wir hinter ihr her waren, so würden wir sie bestimmt nicht erwischen. Sie hatte nichts anderes nötig, als sich die Haare färben zu lassen und den Namen zu wechseln. Für Frauen ist es verhältnismäßig einfacher, unterzutauchen, als für Männer, vor allem, wenn diese Frauen nicht darauf angewiesen sind, ihr Brot zu verdienen. Wir taten denn auch so, als ob uns die ganze Sache gar nicht wichtig sei. In der stillen Hoffnung, wir würden unwahrscheinliches Glück haben, blieben wir sitzen. Es wurde zwei und es wurde halb drei. Die meisten Gäste waren bereits gegangen, und der Barkeeper fing schon an die Messingbeschläge zu putzen.
So machten wir uns also schweren Herzens auf den Heimweg.
***
Am nächsten Morgen war das Bild der Frau aus der Marion Avenue auf den Titelseiten der Zeitungen. Die meisten Reporter hatten eine romantische Story darum gewoben oder geheimisvolle Andeutungen gemacht. Wenn sie gewusst hätten, welcher Kapitalfall dahinter steckte, sie hätten allesamt Feuer und Mord geschrien Dann begannen die Telefone zu rasseln. Sowohl bei der City Police als auch bei uns meldete sich eine Unzahl von Leuten, die behaupteten, die Tote genau zu kennen. Es wurde zwei Uhr nachmittags, und ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, als nach längerer Pause wieder das Telefon klingelte. Mit einem Seufzer nahm ich den Hörer ab.
»Cotton, FBI.«
»Hier City Police,Vice Squad, Sergeant Lehman.«
»Na, Henry, was hast du auf dem Herzen?«, fragte ich.
Herny Lehman ist ein alter Polizist, der so ziemlich alle Mädchen rund um Brooklyn Bridge und in der Gegend, die man »Teufelsküche« nennt, kennt und sein gewiss unangenehmes Amt mit Herz und Gemüt versieht. Ich kannte Henry schon lange, und hatte so manchen Tipp von ihm bekommen.
»Einen dicken Hund, wie man so sagt. Es handelt sich um das Bild der ›News‹.«
»Meinst du dass blonde Mädchen, das heute Nacht erschossen wurde?«
»Ja, die Sylvia. Mit Nachnamen hieß sie Long. Ich kannte sie schon lange. Schon als sie noch siebzehn war und ich sie einmal verdroschen habe, als ich sie in einer wüsten Kneipe fand. Sie hätte ja eigentlich in Fürsorgeerziehung gemusst, aber sie konnte so schön betteln, dass ich sie immer wieder laufen ließ. Ich traf sie zum letzten Male vor ungefähr neun Monaten. Dann verschwand sie plötzlich. Ich hoffte, dass sie endlich einen Ehemann gefunden hätte. Heute Morgen, dachte ich, mich rührt der Schlag.«
»Kannst du sofort hierher kommen, Henry?«
»Wenn es unbedingt sein muss.«
Eine Viertelstunde später saß Herny Lehman mir gegenüber am Schreibtisch und umklammerte mit beiden Händen ein Wasserglas, das eine Mischung von Eiswürfeln und Scotch enthielt.
»Kannst u schweigen, Herny?«, fragte ich ihn. »Es handelt sich um eine ernste Sache.«
»Mord ist immer ernst«, entgegnete er. »Besonders, wenn das Opfer ein so nettes Mädchen wie Sylvia ist. Wenn ich den Kerl erwische…« Er ließ offen, was er mit ihm machen würde.
Ich begann am Anfang und berichtete die Entwicklung bis zu dem Mord an dem Mädchen.
Henry hörte geduldig zu, nahm von Zeit zu Zeit einen Schluck und sagte am Ende:
»Dahinter steckt ein Kerl. Bei all diesen Mädchen und bei Sylvia im Besonderen steckt ein Kerl hinter jeder Schweinerei. Sie wären alle nett und harmlos, und sie sind es sogar, bis sie irgendeinem Gangster in die Finger fallen, der sie ausnutzt und zum Schluss umlegt.«
»Weißt du, wo sie gewohnt haben könnte?«
»Wo sie früher wohnte, selbstverständlich, aber das war eine billige Pension. Daraus ist sie schon lange verschwunden. Dabei kann ich dir nicht helfen. Was ich aber tun kann, das ist, mich umhören, ob eine ihrer ehemaligen Freundinnen etwas von ihr weiß.«
»Dann hätte das Mädchen sich doch schon lange gemeldet«, warf ich ein. »Es stand ja dick genug in allen Zeitungen. Mitteilungen, die auf Wunsch vertraulich behandelt werden, sind zu richten an das FBI oder die City Police.«
»Da irrst du dich, Jerry. Keines von den Girls und keiner von den Männern, die sie kannten oder noch kennen, würde sich freiwillig gemeldet haben.«
Ich wusste nur zu gut, dass Henry Recht hatte. Es gibt eben immer noch eine Anzahl Beamte der City Police, die auf die so genannte »harte« Tour schwören und den-Versuch machen, jeden Zeugen zuerst einmal
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