0124 - Wir entrissen den Raubtieren ihr Opfer
zehn Minuten, bis der schwere Wagen mit Rotlicht und Sirengeheul um die Ecke bog. Blitzlichter flammten auf. Dr. Baker untersuchte die Tote oberflächlich meinte:
»Der Schuss wurde aus zwei bis drei Meter Entfernung abgeben. Es war höchstwahrscheinlich Kaliber 32. Wann der Tod eingetreten ist, kann ich noch nicht sagen. Ich rechen mit ein bis zwei Stunden, ohne mich festzulegen.«
Ich kümmerte mich um Mrs. Bliss und Frank Cathey, der ebenfalls verdattert und sehr blass war.
Stephanie saß wie ein Steinbild in ihrem Wagen. Sie weinte nicht einmal mehr.
»Haben Sie die Frau erkannt?«, fragte ich.
»Nein, wie sollte ich? Ich ging nach drinnen und sah, dass da etwas lag. Ich knipste die Taschenlampe an, die ich mitgenommen hatte, und rannte so schnell wie ich konnte. Ich hatte das Gefühl, dass der Mörder auch hinter mir her war.«
»Wie weit waren sie von der Toten entfernt?«, fragte ich. Die Fußabdrücke waren mir eingefallen.
»Drei oder vier Meter.«
»Bestimmt nicht weniger?«
»Nein. Ich erschrak furchtbar und lief weg.«
»Komm einmal her, Jerry.« Phil winkte mich herbei und sagte: »Der Mörder scheint eine Frau zu gewesen zu sein. Die Fingerabdrücke befinden sich nicht nur neben der Leiche, sondern haben sich auch auf den Dielen im Zimmer abgezeichnet. Auch zwei verschiedene Arten von Fingerprints haben wir gefunden, die einen dürften von der Ermordeten stammen und die anderen von der Frau, die sie umbrachte.«
»Eine Frau! O du mein Gott.« Mrs. Bliss schrie das fast.
»Wissen Sie etwas, wer?«, fragte ich scharf.
»Pat… Ich sprach Pat am Telefon. Sie rief an, und in meiner Aufregung sagte ich ihr alles.«
»Sie wollen doch nicht behaupten, Sie hätten ihr von der Erpressung erzählt und ihr womöglich noch die Adresse gegeben?«
»Doch, das habe ich.«
»Auch, dass wir der ganzen Schiebung auf die Spur gekommen sind?«
»Ja, ja.« Sie nickte unter Tränen. »Pat, oh, Pat! Wie konntest du das tun.«
Phil und ich blickten uns an. Dieser Mord wenigstens schien bereits so gut wie geklärt zu sein. Ich konnte mir vorstellen, dass Pat Wheath voller Wut hierher gefahren war, und die Erpresserin zur Rede stellte. Diese hatte wahrscheinlich aufgetrumpft, und da hatte Pat die Pistole gezogen und sie niedergeschossen. Das passte ganz zu dem, Bild das ich mir von dem Charakter dieses Mädchens machte.
Ich ließ Mrs. Bliss sitzen. Diese Frau hatte ein geradezu unglaubliches Talent, alle Voraussagen und Pläne, die andere gemacht hatten, durch ihre Dummheit über den Haufen zu werfen.
Ich ging wieder dorthin, wo ein paar G-men damit beschäftigt waren, die Tote aufzuheben und umzudrehen. Die Stelle am Boden, auf der sie gelegen hatte, war fast trocken, ebenso die Vorderseite des Kleides.
Unglücklicherweise hatte die Tote nichts bei sich, wodurch man sie hätte identifizieren können, weder eine Handtasche noch sonst etwas. Sie musste bei Lebzeiten ein über dem Durchschnitt hübsches Mädchen gewesen ' sein. Dr. Baker taxierte sie auf vier- bis fünfundzwanzig Jahre. Jetzt war ihr Gesicht durch die Wunde entstellt, die die Kugel bei Austritt hinterlassen hatte. Nach dieser Kugel wurde zurzeit noch gesucht.
Mit Stephanie Bliss war nichts anzufangen. Sie war so verstört, dass sie nicht einmal hörte, was ich sie fragte.
Ich gab einem unserer Leute Anweisung, sie nach Hause zu fahren. Auch Cathey entließ ich. Ich hatte ihn ja selbst ankommen sehen und wusste, dass er mir nichts würde sagen können.
Kurz nach elf kamen wir ins Office zurück. Meine Ahnung, es werde ein langer Tag, hatte sich bewahrheitet. Und wir waren immer noch nicht fertig. Ich rief Mr. High in seiner Wohnung an und gab ihm einen gedrängten Bericht, den er wortlos zur Kenntnis nahm.
Dann tat ich etwas Außergewöhnliches. Ich ließ den Kopf der Toten auf der Fotografie vergrößern und so retuschieren, dass das Loch in der Stirn verschwand. Dann wurden zwanzig Abzüge gemacht, und ich trommelte die Reporter der großen Tageszeitungen zusammen.
Um elf Uhr fünfzehn waren die Boys alle da, die vom »Herald«, vom »Journal«, vom »Mirror«, von der »Post«, der »Times« und den »News« mit seiner Zwei-Millionen-Auflage. Sie alle erhielten den offiziellen Polizeibericht über den Mord in der Marion Avenue und das Bild. Die Morgenblätter würden beides bringen. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn niemand die Frau kannte. Von der Vorgeschichte des Verbrechens hatte ich allerdings nichts verlauten lassen:
Weitere Kostenlose Bücher