0124 - Wir entrissen den Raubtieren ihr Opfer
schoss ein Gedanke durch den Kopf. Um acht Uhr hatte es begonnen zu regnen. Ich blätterte die Akte durch und fand das bestätigt. Dr. Baker hatte die Todeszeit auf ein bis zwei Stunden vor der Auffindung der Leiche festgesetzt, das hieß, zwischen sieben und acht. Und dann war ein Punkt nicht zu vergessen. Nämlich die Tatsache, dass der Erdboden unter der Toten ebenso trocken gewesen war wie die Vorderseite ihres Kleides. Ich sah, dass Pat mich gespannt anblickte. Es schien, als ob sie etwas von meinen Gedankengängen ahnte. Es war zwar schon halb zwei, aber das war mir gleichgültig. Ich rief bei Stephanie Bliss an. Es dauerte lange, bis sie sich meldete.
»Hier Cotton«, sagte ich. »Es tut mir Leid. Sie mitten in der Nach stören zu müssen, aber es handelt sich um eine dringende Angelegenheit. Erinnern Sie sich genau, um wie viel Uhr Patricia Wheath mit Ihnen vorgestern telefonierte, als sie sie von der Erpressung und dem Rendezvous in der Marion Avenue unterrichteten?«
»Ja, es war ein paar Minuten vor acht. Ich hatte gerade auf die Uhr gesehen.«
»Regnete es schon?«
»Nein, aber es fing gleich darauf an.«
Wenn Pat erst um acht Uhr von der Lage der Dinge unterrichtet worden war, so konnte sie nicht lange vor halb neun am Tatort gewesen sein. Zu dieser Zeit regnete es bereits eine halbe Stunde. Der Boden unter der Leiche war trocken gewesen. Sie musste also erschossen worden sein, bevor der Regen begann. Dazu kam das Gutachten des Arztes.
Mit Erleichterung kam mir zu Bewusstsein, dass Patricia Wheath nicht gelogen hatte. Sie konnte Sylvia Long nicht erschossen haben. Ich muss ehrlich sagen, dass mir ein Stein vom Herzen fiel. Das Mädchen würde sich zwar wahrscheinlich wegen Kindesunterschiebung verantworten müssen, wenn sie aber einen geschickten Anwalt hatte, konnte ihr da nicht viel passieren. Damals war sie sechzehn Jahre alt und in Not gewesen.
»Schön, Sie haben Glück gehabt«, sagte ich. »Die Frau wurde vor Beginn des Regens umgebracht, und Sie kamen nachweislich erst eine halbe Stunde später an. Sie kommen also nicht in Betracht. Nachdem das geklärt ist, habe ich einige Fragen. Wen verdächtigen Sie?«
»Ich weiß es nicht. Eigentlich müsste Stephanie ihnen das sagen können.«
»Die ist genauso klug wie Sie, aber ich möchte, dass Sie sie besuchen. Ich werde mitgehen. Vielleicht kommen wir dann doch zu einem Resultat.«
Ich schwieg. Ich hatte kein Recht, ihr zu sagen, was mir im Kopf herumging, aber dann riskierte ich es doch.
»Sie wissen, wie Sie mir vorhin eingestanden, wer und was Ihr Freund ist. Es muss Ihnen auch klar sein, dass er früher oder später Schiffbruch erleidet, und dann wird man auch Sie nicht ungeschoren lassen. Denken Sie nicht, es sei besser, wenn Sie sich von ihm trennen?«
»Er war immer gut zu mir«, sagte sie und senkte den Kopf. »Außerdem, wo sollte ich denn hingehen? Ich habe ja nichts gelernt.«
»Das wird sich finden«, meinte ich, und dabei fiel mir plötzlich der große Scheck ein, den Mr. Wheath mir in die Hand gedrückt hatte. Ich würde keine Gewissensbisse bekommen, wenn ich einen Teil davon verwendete, um Pat auf die Beine zu helfen.
»Ich werde jetzt Mr. Grant sagen, dass er nach Hause gehen kann«, erklärte ich ihr. »Mit Ihnen möchte ich mich noch kurze Zeit unterhalten.«
»Sie wollen mich also doch einsperren?«, fragte sie mit ängstlichen Augen.
»Wie man es nimmt.« Ich lächelte. »Einsperren ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Ich möchte Sie unter Aufsicht halten.«
Wenn doch jetzt Phil da wäre dachte ich: Es war, als ob meine Gedanken ihn herbeigerufen hätten, ein paar Minuten später erschien er.
»Darf ich bekannt machen, Mister Decker, und das ist Miss Wheath. Wir haben inzwischen ausgeknobelt, das sie nichts mit den beiden Morden zu tun haben kann.«
Phil machte ein verständnisloses Gesicht, und so erklärte ich es ihm. Er schien immer noch nicht befriedigt zu sein und bemächtigte sich der Akten.
»Tatsächlich«, sagte er und schlug sich vor die Stirn. »Hier steht das Protokoll des abgehörten Telefongesprächs zwischen Stephanie Bliss und Miss Wheath. Die genaue Zeit ist mit 7.58 Uhr angegeben. Ich muss mich tatsächlich entschuldigen. Ich habe Sie zu Unrecht verdächtigt«, wandte er sich an Pat Wheath.
»Sparen Sie sich das«, entgegnete sie. »Schaffen Sie mir lieber Jimmy zur Stelle. Ich habe eine wahnsinnige Angst um ihn.«
Ich hätte ihr ja nun sagen können, dass diese Angst reichlich spät
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