0124 - Wir entrissen den Raubtieren ihr Opfer
ein Zimmer, das eigentlich gar nicht zu dieser eleganten Frau passte. Die Wände waren mit indianischen Decken und Schmuckstücken dekoriert, und in der Ecke hing ein echter Cowboystiefel unter ein paar gekreuzten, altmodischen Jagdflinten.
»Bitte, setzen Sie sich«, bat sie und fuhr dann fort. »Ich überlege mir schon die ganze Zeit, ob Patricia Wheath das Kind nicht nur erfunden haben könnte, um an einen Teil des Geldes ihres Vaters zu kommen. Ich kann es nicht begreifen, dass sie sich nicht früher gemeldet hat.«
»Auch wir haben uns dass schon überlegt«, sagte ich, »aber die standesamtliche Eintragung ist unanfechtbar. Außerdem haben wir verschiedene Zeugen, so zum Beispiel die Oberschwester der Frauenklinik.«
»Solche Leute kann man bestechen«, erwiderte sie lächelnd. »Es wäre nicht das erste Mal, das etwas Derartiges geschieht.«
»Schlagen Sie sich diesen Gedanken aus dem Kopf. Mrs. Wheath. Das Kind Jimmy existiert, und ist echt. Natürlich kann ich mir vorstellen, dass sein Auftauchen Ihn nicht sympathisch ist, aber daran lässt sich nichts mehr ändern.«
»Immerhin haben Sie es bisher nicht finden können«, sagte sie ironisch, »und ich habe so das Gefühl, dass Sie es auch weiterhin vergeblich suchen werden. Ich kann mir nicht helfen, ich halte die ganze Sache für einen groß angelegten Schwindel.«
Dann sprang sie plötzlich auf.
»Entschuldigen Sie meine Nachlässigkeit. Ich werde uns ein paar Drinks mischen.«
Bevor wir protestieren konnten, war sie hinausgeeilt.
»Ich möchte wissen, was sie eigentlich von uns will«, überlegte Phil. »Sie kann sich doch denken, dass wir keinem Phantom nachjagen.«
»Wahrscheinlich ist der Wunsch der Vater des Gedankens«, meinte ich. »Wie alt mag diese Frau eigentlich sein?«
»Mindestens fünfundvierzig, aber dafür sieht sie noch außerordentlich gut aus. Sie erinnert mich immer an eine geschmeidige Pantherkatze.«
Neben mir auf einem kleinen Tisch lag ein in Leder gebundenes Buch, das ich mechanisch aufschlug. Es war ein Fotoalbum, angefüllt mit Bildern der Mrs. Wheath. Sie war auf den meisten noch bedeutend jünger, aber das war es nicht, was mich faszinierte.
Es waren Bilder, die sie als Cowgirl und teilweise auch als feschen Cowboy darstellten. Die Fotos zeigten sie auf gesattelten Pferden, mit Gewehren und mächtigen Colts im Anschlag, die sie lächelnd und mit unwahrscheinlicher Eleganz handhabte.
Wir waren so in die Betrachtung vertieft, dass erst das leise Klirren der Gläser, die sie auf einem Tablett trug, anzeigte, das sie zurückgekommen war.
»Jetzt haben Sie also mein Geheimnis entdeckt.« Sie lachte und stellte die Drinks vor uns hin. »Zu dieser Zeit lernte ich meinen Mann kennen. Ich bin aus einer alten Artistenfamilie und trat in einer Cowboytruppe im Zirkus Ringling auf. Ich glaube nicht, dass man mir das heute noch ansieht… Aber glauben Sie mir, manchmal sehne ich mich nach diesen längst vergangenen Zeiten. Es gab kein Pferd, das mir zu wild war, und ich schoss das As aus jeder Karte.«
Das war jedenfalls erstaunlich, und es erklärte die Art, wie sie sich bewegte und ging.
»Das kann ich mir vorstellen«, meinte Phil. »Jedenfalls war das eine gewaltige Umstellung.«
»Nicht so sehr, wie sie denken.« Sie schlug die Beine übereinander, und reckte sich mit der Grazie einer Katze. »Man gewöhnt sich viel zu schnell an das bequeme Leben, bis man dann plötzlich bemerkt, dass es doch nicht so einfach ist.«
Ich wusste, woran sie dachte, aber ich ging nicht darauf ein.
»Wo ist denn Ihr Sohn?«, fragte ich.
Sie hob die Schultern.
»Ich weiß es nicht, Frank hat zu viel Geld, und das ist nicht gut für ihn. Ich habe es längst aufgegeben, mich um seine Weibergeschichten zu kümmern. Er macht ja doch, was er will.«
Es war inzwischen drei Uhr geworden und höchste Zeit, dass wir uns auf die Beine machten. Mrs. Wheath bedauerte unsere Eile und wollte uns unbedingt noch festhalten, aber wir blieben standhaft.
Im Office ging alles seinen gewohnten Gang. Ich deponierte den Scheck des Mr. Wheath bei Mister High, der sich die Entscheidung über die Verwendung des Geldes vorbehielt. Dann borgten wir uns von den Leuten aus dem Labor zwei Kleinbildkameras aus. Wir hatten uns beide entschlossen, uns am Abend auf die Suche zu machen, und zwar getrennt. Wir vergaßen auch nicht die nötigen Blitzlichtbirnen, und außerdem ließen wir Filme einziehen. Vielleicht gab es doch das eine oder andere, was im Bild
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