0125 - Der Leichenbrunnen
Vorschein kam, hielt sie einen Spiegel. »Sehen Sie selbst, Mister.«
Der Anwalt nahm den Spiegel und schaute hinein. Zuerst hielt er ihn zu hoch, ließ ihn aber dann mehr nach unten wandern und sah es sehr deutlich.
Auf einmal konnte er die Wirtin verstehen. Auf seiner Haut am Hals war der Abdruck einer Knochenhand zu sehen!
***
Es war wirklich eine Heidenarbeit, und ich kam mir vor wie ein Detektiv der alten Schule.
Ich mußte diesen geheimnisvollen Brunnen finden und einen Mann namens Baxman.
Wenn er ein Verbrecher war, dann hatten wir ihn bestimmt registriert. Sämtliche Verbrechen und Untaten auch aus früherer Zeit waren auf den zahlreichen Bändern im Archiv des Yards gespeichert. Voller Hoffnung ging ich hin und kehrte enttäuscht zurück.
»Über Cromwells Bürgerkrieg haben wir keine Unterlagen«, erklärte mir der Leiter. »Sie haben vielleicht Wünsche, Sinclair.« Er schüttelte den Kopf und hielt mich wahrscheinlich für krank.
Dann fuhr ich zur Uni. Geschichtliche Fakultät. Bei den Historikern und Heimatforschern hatte ich vielleicht mehr Glück. Ich traf sogar einen Professor, der sich besonders mit dem Englischen Bürgerkrieg befaßt hatte.
Er erzählte mir viel. Über Gustav Adolf von Schweden und über Wallenstein den Friedländer. Nur meinem Problem kamen wir nicht näher.
Er erzählte mir viel. Über Cromwell, den Erzbischof von Canterbury, William Laud, der 1645 hingerichtet wurde, von den Independenten, die zusammen mit den Presbyterianern und den Schotten das königliche Heer 1644 bei Marston Moor und 1645 bei Naseby schlugen, und vieles andere mehr. Nur meinem Problem kamen wir nicht näher.
»Wenn Sie mir so kommen, da bin ich überfragt. Fragen Sie doch mal einen Mann, der sich auf die Gerichtsbarkeit jener Zeit spezialisiert hat.«
»Gibt’s denn auch jemanden, der die Sagen kennt?«
»Ja, Professor Rondwite. Er ist Fachmann für beides.«
»Und wo finde ich ihn?«
»In der Bibliothek.«
Ich ging ins Nebengebäude, betrat die riesige Bibliothek und fand Professor Rondwite auf einer Leiter stehend.
Er holte ein Buch aus dem obersten Regal hervor. Als er schließlich neben mir stand, lächelte ich ihn an.
»Wer sind Sie denn?« fragte er mich mit einer lustigen Fuzzy-Stimme.
»John Sinclair.«
»Nie gehört.« Er strich sein weißes Haar zurück und schob die schmale Brille wieder vor die Augen. »Sind Sie ein neuer Schüler?«
Ich grinste. »Dazu bin ich zu alt.«
Er lachte meckernd. »Sie glauben gar nicht, junger Mann, wer heute so alles studiert. Das ist manchmal erschreckend, sage ich Ihnen, richtig erschreckend.«
»Erschrecken Sie aber nicht, wenn ich Sie um einen Gefallen bitte. Ich komme von Scotland Yard.«
»Aha, ein Bulle.«
Jetzt mußte ich lachen. Das Wort aus dem Munde des vertrockneten Professors hörte sich wirklich lustig an. »Es kommt daher, daß ich immer mit Studenten zusammen bin«, erklärte er mir. »Kommen Sie mit, Bu… ääh, Mr. Sinclair.«
Er führte mich in sein Büro. Das enthielt so viele Bücher, daß ich kaum Platz zum Sitzen fand. Auf einem Hocker ließ ich mich dann nieder.
»Worum geht es denn?« wurde ich gefragt.
»Baxman!« erwiderte ich.
»Die Comic-Figur?« quäkte der Professor.
»Nein, die heißt Batman!«
Er lachte. »Wußte ich es doch. Wollte Sie nur auf die Probe stellen, Mister.«
Der Professor war ja ganz lustig, aber leider hatte ich nicht viel Zeit. Deshalb erklärte ich ihm in Stichworten, was ich wußte, und er machte sich Notizen.
»Viel ist es ja nicht«, meinte er zum Schluß.
»Der Meinung war ich auch.«
»Aber ich werde sehen, was ich für Sie tun kann.« Er stand auf und marschierte an seinen Regalen entlang. Dabei pfiff er den Yankee Doodle.
Dann hatte er gefunden, was er suchte. Eine uralte Schrift, die einen brüchigen Einband zeigte. Er trug sie wie ein kostbares Stück Porzellan und legte sie vorsichtig auf den kleinen Schreibtisch.
»Hier könnte es stehen.«
»Und was ist das für ein Buch?« wollte ich wissen.
»Über Prozesse. Alte Kirchenarchive. Hexenverbrennungen, Steinigungen, Folterungen – usw…«
»Aha.«
Während er blätterte, pfiff er einen Western-Song. Plötzlich unterbrach er sein Pfeifen und deutete mit dem Finger auf mich. »Baxman«, sagte er, »ich habe ihn.«
Ich stand plötzlich unter Spannung. »Und?«
»Er hat gelebt. War ein Köhler. Soll sich angeblich mit dem Teufel verbündet haben. Er hat zahlreiche Menschen umgebracht und sie in den Leichenbrunnen
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