0125 - Der Teufel aus dem Orient
mir Allah den wachen Blick geschenkt. Fremde haben sich bei dir einquartiert, machen sich in deinem Besitz breit, wenn es stimmt, was du sagst - wenn der Raum, den ich dir beschrieb, in deinem Haus liegt.«
Der Türke ballte die Fäuste. »Hast du ihn richtig beschrieben, ist es mein Haus. Denn in ganz Jerusalem gibt es nur bei mir ein solches Gemach.«
Zamorra lachte. »Gemach? Eine Kellerhöhle…«
»Bei den heulenden Derwischen von Ashshab!« knirschte Marduz. »Du hast meine Sklaven niedergeschlagen! Ich könnte sie jetzt gebrauchen, aufzuräumen in meinem Haus. Denn wenn du wahr sprichst, so…«
Er hielt inne. Seine Augen rollten. »Ich werde sie auspeitschen lassen«, knurrte er. »Oder noch besser: Ich lasse ihre Sohlen mit Salz bestreichen und eine Ziege daran lecken! Jeder, der es wagt, ungebeten in mein Haus einzudringen… Wobei wir wieder bei dir wären, Zamorra!« Er kreiselte zu dem Professor herum. »Was dachtest du dir dabei?«
»Ich suchte eine ruhige Stelle«, gab Zamorra einfach zu. »Das muß dir reichen. Zudem war es wohl der Wille Allahs, denn wie sonst hätte ich dir verraten können, was sich im feuchten Keller deines Hauses abspielt?«
»Vielleicht gehört ihr zusammen«, zischte Marduz. »Ihr wollt mir eine Falle stellen!«
Er stieß einen der beiden Neger mit dem Fuß an. Der Mann grunzte leise.
»Steh auf!« bellte Marduz. »Ich weiß, daß du wieder bei Bewußtsein bist, Ngulla! Hoch!«
Zamorra steckte seinen Dolch wieder ein. Er beschloß, auf der Hut zu bleiben. Er würde diesen seltsamen Straßenbesitzer begleiten. Vielleicht würde er auf diese Weise schneller sein als die Dämonen, sie seinerseits überraschen können…
Aber er wußte, daß er dennoch zu spät kam…
***
Im Lager herrschte hektisches Treiben, Spektakel, Lärm und ein Chaos, das trotzdem auf irgendeine undefinierbare Weise geordnet war.
Der Kreuzzug machte seinen letzten Halt.
Am Horizont war die Stadt gerade noch sichtbar, das Ziel ihrer weiten, kriegerischen und mörderischen Reise - Jerusalem! Jener heilige Ort, den sie aus den Klauen der Ungläubigen, der Heiden, befreien wollten! Das war ihr erklärtes Ziel, und so zogen sie kämpfend, fluchend, betend und sterbend, siegend, lachend und ausweichend durch das Land.
Sie stritten im Zeichen des Kreuzes, und hier machten sie halt, um sich zu sammeln, um sich mit versprengten Kleingruppen wieder zu vereinigen und Kräfte zu schöpfen. Denn für das Erreichen ihres Zieles wollten sie ausgeruht sein.
Sie ahnten nicht, daß es noch knappe drei Monate währen würde, bis Gottfried von Bouillon sich zum letzten Angriff entschloß. Kleinere Scharmützel würden vorausgehen, ausgesandte Patrouillen würden umliegende Dörfer überfallen.
Doch das war alles noch Zukunft. Noch…
Vater Heinrich, der alte Recke mit dem langen weißen Bart, der ihn jeden Tag aufs neue vor das fast unlösbare Problem stellte, diese Manneszierde in der Rüstung unterzubringen, runzelte die Stirn. Er sah zum Himmel, wo es hell aufgeblitzt war. Sekundenlang glaubte er, etwas vom Himmel stürzen zu sehen, dann war es vorbei.
So mancher der Kreuzritter sah das Fanal ebenfalls. Manche dachten sich nichts dabei, hielten es für eine Luftspiegelung. Andere nahmen es als Zeichen des Herrn, daß ihr Kreuzzug unter einem guten Stern stehe.
Vater Heinrich hob die Schultern und stieg dann von seinem Pferd. Rast, Lager, Pause! Das waren die Gedanken, die die vielen hundert Männer erfüllten. Der alte Ritter stieg umständlich aus seiner Rüstung. Metall klirrte, als er die Teile aufeinanderlegte. Er fühlte sich sicher. Trotz des verheerend wirkenden Chaos’ war alles hervorragend organisiert. Gottfried von Bouillon hatte seine Mannen im Griff. Während ein Teil der Ritter damit befaßt war, das Lager zu errichten, die Zelte und Feuerstellen aufzubauen, während ein anderer Teil die Pferde versorgte, kreiste ständig eine Streife von zwanzig Gepanzerten in weitem Umkreis um das Lager, bereit, jeden Angriff der Heiden sofort aufzuhalten und den anderen im Falle eines Alarms Zeit und Gelegenheit zu beschaffen, sich wieder zu bewaffnen und dann in den Kampf einzugreifen.
Vater Heinrich blieb stehen. Eine kleine Gruppe von leichtgerüsteten Männern ritt gerade heran. Sie gehörten zu den Nachzüglern, hatten sich auch erst vor kurzem dem Kreuzzug angeschlossen. Voran ritt ein hochgewachsener, schlanker Mann mittleren Alters mit schütterem blondem Haar und sauber gestutztem
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