0126 - Merlin, der Magier
Unbekanntes war aktiv, und niemand wußte, um was es sich handelte.
Raffael hatte sich zurückgezogen. Seine Gedanken kreisten um die letzten Geschehnisse, um Bill Fleming und die Studentin Manuela Ford, die Deutsche aus dem Ruhrgebiet. Er hat sich in sie verliebt, dachte der Alte mit stillem Schmunzeln. Und sie… nun, er scheint ihr nicht ganz gleichgültig zu sein.
Nun, wir werden sehen, dachte Raffael. Seine Gedanken wanderten zurück zu den übersinnlichen Phänomenen, die im Schloß aufgetreten waren.
Nacheinander zählte er sich im Stillen die Vorgänge auf.
Zamorra und Nicole waren zu nächtlicher Stunde - der genaue Zeitpunkt ließ sich nicht rekonstruieren - spurlos aus dem Schloß verschwunden, allem Anschein nach ohne Gewaltanwendung einer anderen Macht. Zudem war das im Tresor verschlossene Amulett verschwunden. Die Lage des Tapetentresors und die Kodeziffer, die ihn öffnete, waren nur Zamorra, Nicole und Raffael bekannt. Nicht einmal Bill Fleming zählte zu den Eingeweihten. Und da Raffael von sich mit Sicherheit ausschließen konnte, das Amulett aus dem Tresor genommen zu haben, kamen nur Nicole Duval oder Zamorra selbst in Frage. Und das, nachdem der Professor die silberne Scheibe am Abend zuvor selbst eingeschlossen hatte.
Das Verschwinden konnte also nicht überraschend stattgefunden haben. Zamorra oder Nicole mußte noch so viel Zeit geblieben sein, das Amulett zu holen. Denn mit magischen Kräften war der Tresor auch von Dämonen nicht zu öffnen, weil starke Sicherungen seinen Schutz gegen derartige parapsychische Einflüsse garantierten.
Dann waren Bill Fleming und Manuela Ford, verfolgt und attackiert von dem Dämon Ulo, ins Schloß gekommen. Raffael befürchtete, daß Ulo einen der beiden als Träger benutzt hatte, um mit hineinzugelangen. Denn normalerweise sorgten Dämonenbanner und magische Schirme dafür, daß Château Montagne geschützt blieb. Allenfalls ein Mächtiger wie Asmodis selbst hätte, allerdings unter hohem Kraftaufwand, die Abschirmungen durchdringen können. Und über derartige Kräfte hatte Ulo mit Sicherheit nicht verfügt.
Raffael vermutete, daß Manuela das Träger-Medium gewesen war. Besonders deshalb, weil Ulo sie schließlich übernommen hatte, um in ihrem Körper Bill Fleming zu töten.
Dann: die Strahlwaffe, die Zamorra aus einer anderen Welt mitgebracht hatte. Fleming hatte behauptet, sie leergeschossen zu haben. Als Raffael sie auf Ulo abfeuerte, funktionierte sie wieder! Auf welche Weise war das Magazin wieder aufgeladen worden - und wer hatte diesen Aufladungsprozeß besorgt?
Und schlußendlich hatte eine unbekannte Macht Ulo gezwungen, Manuela wieder freizugeben.
Wer befand sich im Schloß, der unerkannt auf diese Weise eingriff? Und warum gab er sich nicht zu erkennen?
»Es muß eine Möglichkeit geben, dem Unbekannten auf die Spur zu kommen«, flüsterte Raffael im Selbstgespräch. »Aber wie?«
Seine Gedanken kreisten im Leerlauf.
Gedankenverloren blieb er vor der Tür zu seiner kleinen Zimmerflucht stehen, öffnete sie.
Und erstarrte.
Denn mitten im Zimmer, direkt in Raffaels Augenhöhe - schwebte das Amulett…
***
Raffael Bois stöhnte unterdrückt auf. Seine Hand flog hoch, versuchte das Amulett zu fassen. Also war es doch nicht verschwunden, schwebte hier mitten im Raum! Aber wie kam es hierher?
Hinter ihm glitt die Tür von selbst leise klirrend ins Schloß. Fassungslos starrte Raffael das Amulett an, das er greifen wollte, das sich aber seinem Zufassen entzogen. Seine Hand erreichte es nie. Etwas war zwischen ihm und der Hand, das die Berührung verhinderte.
Und dann glaubte Raffael im Mittelpunkt der Scheibe anstelle des Drudenfußes ein Gesicht zu sehen. Das Gesicht eines alten und doch jung wirkenden Mannes mit dichtem, langen Bart.
Das Gesicht im Amulett sprach zu ihm.
Merlin von Avalon grüßt dich, Freund Zamorras! Rätsele nicht länger über dein Problem. Die Lösung ist diese.
Raffael hielt den Atem an. Merlin, der Geheimnisvolle, mit dem Zamorra bisher einige Begegnungen erlebt hatte? Merlin sprach zu ihm?
Das Amulett bewirkte die Vorgänge, die euch Sterblichen rätselhaft erscheinen. Ich entsandte es aus der Vergangen-
heit, um euch vor dem Dämon Ulo zu schützen. Denn noch ist eure Todesstunde nicht gekommen.
Er zögerte einen Moment. Vergeblich versuchte Raffael zu erkennen, auf welche Weise der Zauberer sich ihm mitteilte. Worte wurden auf jeden Fall nicht laut. Es war eine seltsame Art der Kommunikation.
Nun
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