0126 - Merlin, der Magier
aber kann ich das Amulett nicht länger stabilisieren. Das Zeitparadoxon darf nicht stattfinden, die Existenz dieses Amulettschattens muß erlöschen. Von nun an seid ihr auf euch allein gestellt.
Der Diener versuchte zu begreifen, was Merlin damit andeuten wollte. Doch es gelang ihm nicht.
Noch einmal sprach Merlin.
Eine Gefahr nähert sich euch. Ihr könnt sie nicht abwenden. Verlaßt Château Montagne, denn die Vernichtung naht bereits.
Kein Wort von Zamorra, dem Besitzer des Amulettes! Kein Wort über dessen Verschwinden und das von Nicole!
Merlins Gesicht löste sich auf. Der Drudenstern war wieder zu sehen.
Und dann - flog das Amulett vor Raffael auseinander!
Geblendet schloß Raffael die Augen, riß beide Arme hoch und preßte die Hände gegen sein Gesicht, um es vor der Lichtflut zu schützen, die plötzlich über ihn hereinbrach. Die Energie einer kleinen Sonne wurde freigesetzt, und im stummen, grellen Leuchten verging das Amulett, Das Merlin einen Schatten genannt hatte.
Kalte Energie umfloß Raffael, der glaubte, sein letztes Stündchen sei gekommen. Aber dann lebte er immer noch und konnte sogar wieder sehen, weil es diese furchtbare Lichtflut, vernichtend in ihrer Helligkeit, nicht mehr gab. Aber es gab auch keine Reste des Amulettschattens mehr.
Es war vernichtet worden.
Von Merlin, dem Zauberer!
Da hielt es den Alten nicht mehr in dem Zimmer. Er stürmte nach draußen, ließ die Tür hinter sich mit Wucht zuknallen und hetzte über den Gang.
»Monsieur Fleming!«
***
Das Amulett war nicht zerstört worden!
Merlin hatte den Zeitschatten nur zurückziehen müssen, hatte nicht anders handeln können, weil ihm allein die einzelnen Bestandteile dieses gigantischen Zeit-Puzzles klar vor Augen lagen.
Bis zu einem gewissen Punkt konnte er in die Zukunft sehen und bevorstehende Ereignisse erkennen.
Diese Aktion jedoch war für ihn wie auch für Zamorra und Nicole Vergangenheit. Eine Zeitlang war seine Erinnerung blockiert gewesen, das Amulett erschaffen zu haben, und erst die neuen Ereignisse hatten diese Erinnerung wieder durchbrechen lassen. Darum hatte er Zamorra in die Vergangenheit holen lassen.
Er wußte jetzt auch, warum es für den Zeitraum von nahezu tausend Jahren zwei Amulette geben mußte - eines im Besitz der Montagnes, zu denen mithin auch Zamorra zählte, das andere jedoch in der Parallelwelt, die Zamorra im Zuge seines Überlebenskampfes gegen den Dämon Ogo Krul kennengelernt hatte. [3] In Wirklichkeit jedoch war es ein Amulett, nur durch eine Zeitverschiebung verdoppelt.
Jetzt aber, nach der Erschaffung, hätte es normalerweise drei Amulette, dieser Zeitschatten, geben müssen - ein Amulett im Besitz Leonardo de Montagne, ein Amulett in den Händen Merlins - und das Neuerschaffene, das Original!
Doch Merlin entsandte das Amulett, das Zamorra mit in die Vergangenheit gebracht hatte und an Leonardo verlor, dem Merlin es wiederum abnahm, zurück in die Gegenwart, um dort entscheidend einzugreifen Denn Merlin wußte längst, daß es hier nicht nur um das Amulett selbst ging, sondern vielmehr um eine großangelegte Vemichtungsaktion Asmodis’, der durch die drei Zeit-Dämonen zu verhindern suchte, daß das Amulett überhaupt entstand.
Doch zu jener Dimension, in der es erschaffen wurde, hatten die Dämonen keinen Zutritt. Aufgrund der willensgelenkten Veränderlichkeit hätten sie sich durch ihren bösartigen Charakter selbst vernichtet. So, wie Zamorra durch eine gefahrenträchtige Erwartungshaltung um ein Haar von dem Tiger, der seinen Gedanken entsprungen war, getötet worden wäre - weil er eben unterbewußt den Angriff dieses Tigers erwartete.
Und daß die Anwesenheit des Amuletts im Château Montagne bitter nötig war, das hatten die Ereignisse schlagend bewiesen. Doch eben diese weitgespannten Ereignisse unterlagen einem ganz bestimmten, zwingend vorgeschriebenen Zeitablauf, der keine Paradoxa duldete. Und nur deshalb vermochte Merlin den Amulettschatten im Schloß nicht länger zu stabilisieren, mußte ihn jetzt notgedrungen zurückziehen. Drei Exemplare, die doch in Wirklichkeit durch Zeitverschiebungen nur ein einziges waren, konnten aufgrund ihrer besonderen magischen Struktur nicht für längere Zeit nebeneinander existieren.
Merlin wußte nur zu gut, was er tat, was er tun mußte, um den Ablauf der Geschehnisse zu gewährleisten. Ein winziger Fehler nur würde alle Beteiligten aus dieser Existenzebene hinausschleudern - wenn nicht gar Schlimmeres
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