0126 - Merlin, der Magier
herankommen. Dröhnendes Lachen brandete gegen seine Trommelfelle, betäubte ihn fast.
»Du hast eines vergessen, Sterblicher«, grollte Ashran. In einer weitausholenden Handbewegung wies er auf Chraz. Der Dämon hielt das Amulett, das Merlin im anderen Universum erschaffen hatte, in seinen Klauen. Es glomm schwach.
»Das vergaßest du. Chraz gelang es, das Amulett teilweise auf uns einzupolen. So ist es unmöglich, daß du es vernichtest. Denn beide Amulette sind miteinander identisch, sind nur durch die Zeit voneinander getrennt. Nichts aber läßt sich durch seine eigene Schutzvorrichtung vernichten.«
Wieder gab der Dämon sein dröhnendes Lachen von sich.
»Doch nun«, grollte er, »wirst du Zeuge eines Vorganges werden, den du wohl immer für unmöglich gehalten hättest. Bevor du selbst stirbst, wirst du sehen, wie das Amulett vernichtet wird. Vernichtet von denen, die es vernichten sollte! Von uns, den Dämonen!«
Zamorra versuchte sich aufzurichten. Doch es gelang ihm ebensowenig wie Nicole, die an der Wand kauerte und aus weitaufgerissenen Augen die Szene verfolgte.
Zwischen den Fingern Ashrans zuckten kleine Funken auf. Sie sprangen auf den Professor und seine Geliebte über, fesselten sie förmlich. Sie waren nicht mehr in der Lage, sich zu bewegen.
Ashran winkte.
Chraz trat in die Mitte des Raumes und ließ das Amulett los. Es schwebte frei in der Luft.
Dann zuckten aus den Fingerspitzen der beiden Dämonen feine Strahlen, die sich im Drudenfuß des Amulettes vereinigten. Die Silberscheibe strahlte in unerträglicher Helligkeit auf.
Irgendwie erinnerte es Zamorra an jenes Erlebnis, das ihm der Dämon Ogo Krul beschert hatte. Jener hatte mit seiner ungeheuren Kraft das Amulett zum Schmelzen gebracht.
Geschah hier das Gleiche?
Immer heller glomm die Silberscheibe auf. Jeden Moment mußte der Vernichtungsprozeß einsetzen. Und dann…
Aus, dachte Zamorra. Er schloß die Augen. Sie waren verloren, hatten keine Chance mehr…
***
Merlin, der Zauberer, hatte eine völlig eigene Vorstellung darüber entwickelt, wie Zamorra und Nicole zu helfen sei. Diese Vorstellung lag zum Teil in dem Wissen um die Dinge begründet, über das er verfügte.
Merlin suchte den Palast des Kalifen auf!
Achman, der Herrscher von Jerusalem, war noch relativ jung für das Amt, welches er bekleidete. Sein Vater, der vor ihm regiert hatte, war früh gestorben und hatte den Thron dem Sohn damit geräumt. Doch von seinen Untertanen störte sich keiner an Achmans Jugend. Im Gegenteil, sie verehrten den jungen Herrscher und machten ihm in dieser Hinsicht die Arbeit leicht.
Sein Weib Alyanah liebte Achman abgöttisch. Sie war jung, schön und gut. Aus diesem Grund hatte der Kalif vorläufig nicht das Bedürfnis, sich Nebenfrauen zuzulegen; der einzige Grund, daß einige adlige Sippenoberhäupter sich leicht vergrämt fühlten, weil sie sich um die Chance betrogen sahen, ihre Töchter mit dem Kalifen zu verheiraten. Doch Achman hatte andere Sorgen.
Ein Problem lag ihm besonders im Magen. Dieses Problem hatte sich mittlerweile zu einer gewaltigen Bedrohung manifestiert und lagerte am äußersten Rand der Sichtweite vor der Stadt: Die Kreuzritter, die Ungläubigen, die das Land verheerten, die Städte niederbrannten und die Dörfer plünderten, angeblich, um ihrem Gott einen Gefallen zu tun. Es mußte ein merkwürdiger Gott sein, überlegte der junge Kalif zuweilen, der es guthieß, daß seine Jünger erst seinen Sohn töteten und jetzt ein ganzes Land brandschatzten. Wo immer die Gepanzerten auftauchten, ritt der Tod mit ihnen. Sie überfielen die Dörfer, töteten die Männer und schändeten die Frauen. Immer weiter waren sie in Richtung auf Jerusalem vorgedrungen. Etliche Landesfürsten hatten verzweifelt versucht, den Vormarsch der Giaurs zu stoppen, doch sie waren immer wieder unterlegen.
Jetzt lagerten die Ungläubigen vor Jerusalem. Achman fragte sich, wann sie angreifen würden. Offenbar bereiteten sie sich sehr gründlich darauf vor, die letzte Bastion niederzureißen. Und der Kalif dankte Allah für jede Sekunde, die ihm blieb, die Stadt auf die Belagerung und den Kampf vorzubereiten.
Was im Lager der Kreuzritter vorging, was die Ungläubigen im einzelnen planten, war nicht zu erfahren. Kein Spitzel Achmans kam nahe genug heran, ständig patrouillierten Reiter um das Lager, ließen niemanden heran. Der Kalif hatte schon erwogen, mit einer zu allem entschlossenen Reiterschar das Lager anzugreifen. Doch es war
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