0127 - Die Eisvampire
Legende, mehr nicht, Herr Sinclair.«
»Trotzdem glaube ich daran.«
»Dann sind Sie für mich ein Spinner. Tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen.«
»Das macht nichts. Nur möchte ich Sie bitten, daß Sie uns in Ihre Wohnung führen. Wenn Ihr Vater wirklich zu einem Vampir geworden ist, wird er dorthin zurückkehren.«
»Lassen Sie mich mit dem Quatsch in Ruhe, Mann. Wer glaubt denn an so etwas?«
»Das ist Ihr letztes Wort?«
»Ja. Ich werde mit der Suchaktion beginnen. Stören Sie mich nicht dabei.« Er drehte sich um und ging.
Dafür kam Suko. »Keinen Erfolg gehabt, John?«
Ich nickte. »Er kann es nicht glauben, daß aus seinem Vater vielleicht ein Vampir geworden ist.«
»Ist auch schwer. Wie hättest du denn reagiert, wenn man dir so etwas erzählte?«
»Wahrscheinlich ähnlich.«
»Eben. Und nun?«
Ich warf einen Blick auf die Uhr. Es war früher Abend und noch Zeit bis zum Dunkelwerden. »Du kennst mich, Suko. Wenn du anderer Meinung bist, kannst du es sagen. Willst du dich an der Suchaktion beteiligen?«
»Was hast du denn vor?«
»Ich möchte den Bergers einen Besuch abstatten. Das Dorf ist schutzlos. Es darf auf keinen Fall passieren, daß dieser Vampir sich neue Opfer holt.«
»Und die Eismonster?«
»Da ist Myxin.«
»Stimmt. Trotzdem gefällt mir das Ganze nicht«, meinte Suko.
»Sollten wir uns nicht trennen?«
»Dann fahre ich mit«, sagte ich schnell.
Suko lächelte. »Das war zwar nicht der Sinn der Sache, aber meinetwegen. Ich halte im Ort die Augen auf. Du kannst die Blutsauger aus den Eishöhlen finden und kommst dann zurück. Anschließend erledigen wir sie gemeinsam.«
Mit diesem Vorschlag war ich einverstanden. Nur sollte die ganze Sache anders verlaufen, als wir es uns vorgestellt hatten.
Anders und schlimmer…
***
Die Bergers wohnten nicht direkt im Ort, sondern ein wenig außerhalb. Sie hatten auch nichts mit dem Touristenrummel zu tun.
Ihr Haus lag am Berghang, war schon über 100 Jahre alt und in der Zwischenzeit ein paarmal renoviert worden. Man hatte um- und angebaut, doch die äußere Form war geblieben. Die dicken Holzwände schienen für die Ewigkeit gebaut worden zu sein. Das Dach sprang weit vor, die wuchtigen Balken hielten auch einer größeren Schneelast stand, und das gefällte Holz für den Kamin stand sorgfältig gestapelt an der Westseite des Hauses.
Hinter dem Gebäude begann ein Garten, an den sich eine saftige Wiese anschloß.
Etwas weiter begann schon der Wald.
Aus dem Wohnzimmerfenster hatte man einen prächtigen Blick auf Hallstadt und den See.
Clara Berger wohnte dort mit ihrem Mann und dem jüngsten Sohn Max. Ihr Ältester lebte nicht mehr in Hallstadt. Er arbeitete in Wien als Direktor einer großen Versicherung. Zweimal im Jahr kam er zu Besuch. Aber für Max und seine zukünftige Frau Hanni war das Haus groß genug.
Clara wußte noch nichts vom Schicksal ihres Mannes. Man hatte ihr bewußt nichts gesagt, weil sie sich immer zu leicht aufregte und das ihrem Herzen überhaupt nicht guttat.
Für Frau Berger verstrich ein Jahr wie das andere. Sie sah die Jahreszeiten kommen und gehen, erlebte ihren Wechsel bewußter mit als die Großstadtmenschen und kümmerte sich ansonsten um ihren Mann und den Sohn Max.
Im Ort war sie bekannt und beliebt. Schließlich gehörten die Bergers zu den ältesten Familien von Hallstadt.
An diesem Abend erwartete sie Hanni, Max’ Verlobte. Das Mädchen hatte versprochen, noch vorbeizuschauen, wenn ihr Dienst beendet war. Hannis Eltern gehörte das Hotel, und sie würde es einmal erben. Da machte der Max eine gute Partie.
Bevor Hanni kam, wollte Clara Berger noch mal in den Keller gehen, um den selbst gekelterten Wein heraufzuholen. Es war eine Spezialität bei den Bergers. Dieser Kirschwein, der so gut schmeckte, aber sehr schnell ins Blut stieg.
Der Keller war fast so groß wie die Grundfläche des Hauses. Tief in den Berg gebaut, strahlte er auch im heißesten Sommer eine angenehme Kühle aus. Dort lagerte alles, was die Familie brauchte, wenn sie mal eingeschneit waren. Und das kam schon mal in einem strengen Winter vor. Dann war die Straße für Tage zu, die Verbindung zur Außenwelt unterbrochen.
Im letzten Jahr hatte Clara Berger ihren 50. Geburtstag gefeiert.
Sie war eine typische Frau der Umgebung. Etwas rundlich, mit einer frischen Gesichtsfarbe. Sie trug meist die Tracht des Landes und hatte das dunkelblonde Haar zu einem Knoten im Nacken zusammengesteckt.
Als sie ihren Toni geheiratet
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