0128 - Der Seelenwald
wurde nur noch von dem Gedanken beseelt, diesen Horror-Wald zu verlassen.
Sinclair! Er mußte es irgendwie schaffen, den Geisterjäger zu erreichen und um Hilfe zu bitten!
Das Rauschen der Bäume war wieder zu hören. Unwirklich. Geheimnisvoll. Wie Stimmen aus einer anderen Welt.
Und die dünnen Zweige, die ihm bisher nur ins Gesicht gefetzt waren, entwickelten ein Eigenleben!
Wie von unsichtbaren Fäusten geführt, peitschten sie auf ihn ein.
McCrady riß seine Arme vors Gesicht. Die Wucht der Schläge konnte er so aber nicht mindern.
Jetzt spürte er auch Bewegungen zu seinen Füßen.
Das Gelächter schwoll an.
Eiskalte Furcht lähmte ihn schier. Aber er rannte noch immer.
Da!
Ein Weg!
McCrady warf sich förmlich vorwärts! Er brach durch dichtes, dorniges Gestrüpp und torkelte auf den mit weichem, moosartigen Gras bewachsenen schmalen Weg hinaus.
Das Gekicher verfolgte ihn. Die Äste, die bisher ein natürliches Dach bildeten, gerieten in Bewegung. Das Rauschen wurde kraftvoll und bösartig. Der Boden bebte. Überall wuchsen dünne, sich schlangengleich bewegende Arme empor. Fürchterliche Krallen saßen daran, die sich rhythmisch öffneten und schlossen.
Hände entstanden.
Hände, die nach ihm griffen!
McCrady konzentrierte sich auf Zuurrd. Er wußte plötzlich, wie er sich retten konnte! Der Dämon in seinem Schädel mußte mehr Einfluß bekommen, so daß seine Ausdünstungen deutlicher wurden. Damit konnte es vielleicht gelingen, den Wald zu bluffen.
Es war ein riskantes Spiel, denn wenn er Pech hatte, wurde Zuurrd schlagartig zu mächtig. Vielleicht wartete er auch nur auf diese Gelegenheit!
McCrady lockerte den Psycho-Block, den er um das Zentrum seines Seins herum aufgebaut hatte.
Sofort reagierte der Dämon.
Zuerst schwach, dann machtvoll! Er blähte sich förmlich auf, warf sich gegen die geistige Fessel McCradys an, versuchte, sie zu sprengen.
McCrady schrie auf.
Aber es gelang ihm, den brutalen geistigen Vorstoß des Dämons zu parieren.
Die Klauenhände pendelten seitlich weg, ohne ihn zu verletzen.
Das Wüten der dünnen Äste hörte augenblicklich auf.
Der Wald fiel auf seine Taktik herein!
McCrady registrierte dies jedoch nur beiläufig. Halb ohnmächtig hastete er weiter. Seine ganze Kraft mußte er jetzt darauf konzentrieren, den Dämon in Schach zu halten.
Er lief weiter, bis ihn die Helligkeit blendete.
Helligkeit?
Seine Augen weiteten sich ungläubig. Zuerst wollte er es nicht begreifen. Aber das, was er sah, war Wirklichkeit! Vor ihm, höchstens zehn Yards entfernt, lichtete sich der Wald! Und dahinter breitete sich – momentan nur in grotesken Fragmenten erkennbar – eine weite, mondbeschienene Grasebene aus. Irgend jemand hatte dort ein Feuer gemacht.
Mit einem erstickten Aufschrei warf sich McCrady vorwärts. Er dachte nicht an die Warnungen der Priester, die er so oft in seinem langen Leben gehört hatte. Dachte nicht daran, daß er nicht mehr im eigentlichen Sinne lebte.
Er war tot und doch nicht tot.
Er begriff es nicht, hatte es nie begriffen. Aber jetzt sollte sich sein Schicksal erfüllen…
Einen Augenblick lang glaubte er, ein unsichtbares Hindernis zu durchdringen. Ein eiskalter Hauch durchrieselte seinen Körper.
Dann stach bösartiger Schmerz in seinen Schädel.
Zuurrd, der Dämon, erkannte seine augenblickliche Schwäche.
Sofort griff er an.
Und diesmal hielt McCradys Barriere dem Ansturm der dämonischen Wesenheit nicht mehr stand! Sie zersplitterte wie ein Spiegel, in den ein großer Stein geschleudert wird.
Narr! geiferte Zuurrds telepathische Stimme. Du hast den Schirm durchbrochen! Wir sterben! Du vernichtest uns! Nur unter dem Schirm kann ich deinen Körper am Leben erhalten!
Und McCrady brach in die Knie! Ziehende Schmerzen überall.
Meine Hände, dachte er voller Panik. Er starrte sie an. Die Haut platzte überall auf. Darunter kamen die Muskeln und Sehnen zum Vorschein. Auch sie zerbarsten. Knochen schimmerten.
McCrady robbte weiter.
Auf das Feld hinaus.
Der Seelenwald lag hinter ihm. Er hatte es geschafft. Er war frei!
McCrady wandte sich um. Es fiel ihm irrsinnig schwer.
Hinter ihm war nichts zu sehen! Der Wald schien vom Erdboden verschluckt worden zu sein! Der magische Tarnschild bewirkte das.
McCrady lächelte. Er hatte den Wald tatsächlich durchdrungen.
Und deshalb… deshalb starb er jetzt.
Zuurrd hatte ihn nicht belogen.
Wie ein glühender Nagel fraß sich diese Erkenntnis in sein Gehirn.
»Alles sinnlos!«
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