0128 - Der Seelenwald
ebenfalls! Ihr wart zu unvorsichtig! Deshalb werdet ihr mit ihm untergehen!«
Ich hörte einen fürchterlichen Knall! Die Treppe wölbte sich mir plötzlich entgegen! Wellenlinien bildeten sich. Ich flog, wie von der Tarantel gebissen, vorwärts. Rot waberte rings um uns her. Grelles, schmerzhaftes Leuchten und Flackern stach in meine entsetzt aufgerissenen Augen.
Ja, in diesen Sekunden hatte ich entsetzliche Angst.
Mit beiden Füßen landete ich auf dem nächsten Treppenabsatz.
Die Wucht des Aufpralls pflanzte sich bis in meine Haarspitzen fort! Glendas Gewicht tat das ihre, um mich beinahe in zwei Stücke zerbrechen zu lassen.
Instinktiv glich ich den Schlag aus, federte in die Knie. Und rannte schon wieder weiter. Links und rechts prasselten Asmodinas Glutgeschosse in die Wand. Im Gegensatz zu ihr waren sie verdammt real! Die Hitze schlug mir ins Gesicht.
Die Risse in Wänden und Boden verbreiterten sich. Schwarze Wolken wogten.
Dann war ich um die nächste Biegung und hetzte die letzten Stufen hinunter.
Erster Stock.
Erdgeschoß.
Männer eilten mir entgegen. Ihre Gesichter leuchteten in der Finsternis. Hier und da blitzten Taschenlampen auf.
»Sinclair? Sind Sie das?«
»Ja! Weg hier! Raus!« brüllte ich ihnen entgegen..
Gesteinsbrocken prasselten herunter. Über uns krachte und knirschte es. Das Schreien der dämonischen Handlanger flog in irrsinnige Höhen, verzückt, wie von Sinnen mußten sie sein im Angesicht ihres Todes.
Sie waren Fanatiker!
Besessene!
Das Ende kündigte sich an. Dumpfes Grollen durchzog die Ruine. Die Kollegen vom Yard hatten begriffen. Sie hetzten ebenfalls dem Ausgang zu, nachdem sie mir Glenda Perkins förmlich aus den Händen gerissen hatten.
Und ich packte es jetzt besser. Das silbrige Leuchten, das plötzlich von meinem Kruzifix ausstrahlte, stärkte mich, gab mir die Kraft, die ich brauchte, um mich in Richtung Ausgang zu katapultieren.
Hinter uns brach die Treppe in sich zusammen. Das Getöse mußte meilenweit zu hören sein.
Staub wirbelte auf und fegte über uns hinweg.
Dann krachten mehrere Donnerschläge. Wie Explosionen. Über uns! Hinter uns!
Der Boden zitterte, schwankte, bebte. Die Wände wackelten.
Überall brandete ein glutrotes Leuchten auf.
»Die Decke!« kreischte jemand.
Aber es war nicht nur die Decke, die herunterdonnerte! Die ganze Ruine fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen! Tonnenschwere Trümmer regneten herunter! Staub flirrte! Feurige Flammenbündel loderten. Und über all dem brandete Asmodinas Höllengelächter! Sie gab uns eine Kostprobe ihrer Macht!
Der Ausgang!
Wir stürzten ins Freie. Rannten verzweifelt um unser Leben.
Schreie hinter mir zeigten an, daß uns das Chaos förmlich auf den Fersen war.
Ich aber sah nicht zurück.
Den Lärm bekam ich gar nicht mehr richtig mit. Auch den Staub, der sich jetzt mit dem Nebel vereinte, war für mich nicht mehr real vorhanden.
Plötzlich herrschte Stille. Ich fühlte mich leicht wie eine Feder. Etwas riß mich von den Füßen in die Höhe. Ich wurde davongeschleudert.
Ein brutaler Schlag traf mich am Schädel.
Die Lichter gingen aus. Es wurde dunkel. Gleich darauf glaubte ich, in einen ungeheuerlichen, rotglühenden Rachen zu stürzen.
Und dann kam der Blackout.
***
Jeanette Bytow warf den dicken, knorrigen Ast ins Feuer.
Hoch loderten die Flammen auf, Funken stoben davon. Einige Herzschläge lang schien die Dunkelheit, die wie ein bösartiges, schwammiges Ungetüm außerhalb des Lichtkreises lastete, zum Leben zu erwachen. Die zuckenden Flammen des Lagerfeuers warfen ihren Widerschein auf die Büsche und Bäume des kleinen Gehölzes, bei dem sie ihr Zelt aufgebaut hatten. Dazu das Prasseln und Knistern und Knacken der brennenden Holzscheite…
Eine unheimliche Spannung baute sich auf.
Jeanette spürte einen eiskalten Lufthauch und fröstelte. Das gefiel ihr überhaupt nicht. Sie spielte mit dem Gedanken, Melanie aufzuwecken.
Dann tat sie es doch nicht.
Unsinn, sagte sie sich. Alles Unsinn. Meine Fantasie geht mit mir durch.
Sie dachte an die zurückliegenden Tage. Seit zwei Wochen waren sie jetzt unterwegs. Kreuz und quer durch Schottland. Jetzt befanden sie sich auf dem Rückweg nach London. Von dort aus würde sie nächste Woche wieder nach Hannover zurückfliegen. Sie war nur zu Besuch auf die Insel gekommen. Melanie Dorshire, ihre Brieffreundin, hatte sie zu der Spritztour eingeladen.
Zuvor aber hatten sie Melanies 25. Geburtstag gefeiert. Es war eine tolle Fete
Weitere Kostenlose Bücher