013 - Das MAFIA-Experiment
noch Messer und Gabel ein, die vom Abendessen auf dem Tisch lagen. Vielleicht war es ja gerade dieses Spielzeug, das ihm beim Aufeinandertreffen mit seinem Doppel einen entscheidenden Vorteil verschaffen konnte?
Er öffnete die Tür seines Zimmers und spähte auf den Gang. Kein Mensch war zu sehen. Klar, es war Nacht und in den Labors befand sich jetzt nur noch das Wachpersonal und einige wenige Wissenschaftler, deren Projekte auch ihre Anwesenheit in der Nacht erforderten. Das machte ihm sein Vorhaben deutlich leichter.
Nergaard huschte in den Gang. Er kannte den Weg, der ihn zum Verbindungstunnel zu Labor B bringen würde.
*
Gemächlich bewegte sich der Lift von den oberirdischen Anlagen des MAFIA-Komplexes den unterirdischen Labors entgegen. Zwei Männer standen in der Kabine. Es waren Carlo Rossi und Max Schulz, zwei Agenten von MAFIA und direkt Parisi unterstellt. Die beiden waren seine Truppe für die schmutzigen Aufgaben. Erst vor wenigen Minuten hatte Parisi ihnen einen solchen Auftrag erteilt: Durchsucht die Labors, findet Max Nergaard und eliminiert ihn. Wie immer gehorchten die beiden ohne zu zögern. Wie Max Nergaard aussah, wussten sie. Sie hatten lange genug mit ihm zusammen gearbeitet. Mit einem Ruck hielt der Lift auf der Laborebene an.
*
Der zweite Nergaard hatte fast alle Hoffnung aufgegeben, aus den MAFIA-Labors entkommen zu können. Er war sichtlich angeschlagen. Die Fingerspitzen an beiden Händen schmerzten schier unerträglich. Aus den Nagelbetten der tief eingerissenen Fingernägel quoll immer noch dickflüssiges Blut und Lymphe. Die Finger waren angeschwollen und ließen sich kaum bewegen.
Auch sein Knie, das er sich im Kampf mit Parisi verdreht hatte, war in der Zwischenzeit dick angeschwollen. Irgendetwas an den Bändern oder am Meniskus musste verletzt sein.
Er konnte sich nur noch mühsam hinkend fortbewegen.
Zum Glück hatte er es noch ein gutes Stück von seinem Gefängnis weg geschafft und dann einen menschenleeren Labornebenraum gefunden. Nur einige Dutzend weißer Mäuse wuselten in ihren Käfigen umeinander.
Notdürftig hatte er dort seine Verletzungen versorgt und sich etwas ausgeruht. Aber ihm war klar geworden, dass er in diesem Zustand an keiner Wache vorbei kommen konnte. Sicher hatte Parisi längst Alarm geschlagen. Und so, wie er aussah und hinkte, war es ein Leichtes, ihn von dem sicherlich unversehrten Original zu unterscheiden und als die Kopie zu identifizieren. Er hatte nur eine Chance: Er musste den anderen Nergaard finden, bevor man ihn aufstöberte. Er musste den anderen eliminieren, bevor man ihn eliminierte. Dann gab es nur noch einen Nergaard und das würde er sein. Und einen Nergaard durfte es ja geben.
Nach und nach reifte ein Plan in seinem Hirn. Er musste los, den anderen überraschen. Denn nur, wenn er das Überraschungsmoment auf seiner Seite hatte, würde das die Nachteile, die ihm sein geschundener Körper bescherte, vielleicht ausgleichen.
Den anderen Nergaard zu finden, war kein großes Problem. Schließlich besaß Nergaard Zwei die gleichen Erinnerungen, kannte sich recht gut in den beiden Laborkomplexen aus, wusste, wo der mehrere hundert Meter lange Verbindungsgang, der beide verband, zu finden war. Und die Wohnräume, in denen sich der andere vermutlich aufhielt, waren ihm vertraut. Schließlich hatte er sich noch vor wenigen Stunden, vor dieser unseligen Duplizierung, selbst dort aufgehalten. Denn da war er, die jetzige Kopie, selbst noch Nergaard, das Original, ja, Nergaard, der Einzige gewesen.
Verwirrt schüttelte Nergaard Zwei den Kopf und beendete diesen Gedankengang.
Dann untersuchte er den Schocker, den er Parisi abgenommen hatte. Mist, die Energieanzeige stand auf null. Entweder Parisi war sehr unachtsam gewesen und hatte eine leere Waffe bei sich getragen, oder das Ding hatte bei dem wilden Handgemenge etwas abbekommen, was – so wie Nergaard Parisi kannte – die wahrscheinlichere Möglichkeit war. Egal, dieser Schocker war inzwischen jedenfalls unbrauchbar. Wütend feuerte Nergaard ihn in die Ecke.
Gründlich durchsuchte er den Laborraum nach etwas anderem, das er als Waffe gebrauchen konnte. Doch er fand nichts, was sich eignete. Schließlich zuckte er mit den Achseln. »McGyver, hilf!«, murmelte er. »Muss ich mich also mit dem begnügen, was ich habe.«
Er kramte einige Dinge aus den Absätzen seiner Schuhe und steckte sie in seine Taschen. Dann öffnete er vorsichtig die Tür zum Gang und spähte
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