013 - Der Mann, der alles wußte
Angaben ein gutes Stück vorwärts. Aber trotz allem wird es sehr schwer wenden, Cole zu überführen. Er ist einer der kaltblütigsten und berechnendsten Menschen, die ich jemals getroffen habe.«
Frank wußte schon lange, daß Mr. Mann Cole für den Täter hielt.
»Möglicherweise tun wir ihm furchtbar unrecht«, meinte er lächelnd.
»Sie eignen sich wenig zum Detektiv und Polizeibeamten, weil Sie sich zu sehr durch Ihre persönlichen Gefühle leiten lassen.«
»Ich sympathisiere absolut nicht mit Cole, ich habe nur in gewisser Weise Mitleid mit ihm.«
Wieder sah sich Mr. Mann vorsichtig um und sprach mit gedämpfter Stimme.
»Ich möchte noch über eine andere Sache mit Ihnen sprechen. Es ist eine sehr delikate Angelegenheit.«
»Sprechen Sie ruhig!«
»Es handelt sich um Miss Nuttall. Sie hat unseren Freund Jasper Cole häufig gesehen, und nach jeder Unterredung schien sie größere Hoffnung zu haben, daß er bei der Aufdeckung des Verbrechens helfen werde. Sooft ich meine Meinung über ihn äußerte, kam sie in Verlegenheit und sprach sofort von anderen Dingen.«
Frank runzelte nachdenklich die Stirn. Aber dann zuckte er die Schultern.
»Wenn sie ihn gern hat, kann ich nichts daran ändern.«
»Aber Sie müssen sich doch darum kümmern«, erwiderte Mr. Mann scharf. »Früher war sie doch ganz auf Ihrer Seite und hat Sie unter allen Umständen verteidigt. Sie wollte Sie sogar heiraten!«
Ihre Unterhaltung wurde unterbrochen, weil May zu ihnen zurückkam.
Die Begegnung in Genf war bis zu einem gewissen Grade Zufallssache. May hatte die Absicht, den Winter in Chamonix zuzubringen, und Mr. Mann hatte die Gelegenheit wahrgenommen, eine kurze Erholungsreise zu machen. May hatte gewußt, daß sich Frank in der Schweiz aufhielt, und hatte ihn telegrafisch gebeten, sie in Genf zu treffen.
»Bleibst du noch länger in der Schweiz?« fragte sie, als sie später an dem schönen Ufer des Sees entlanggingen.
»Ich will noch heute abend nach London fahren.«
»Was, schon heute abend?«
Er nickte.
»Aber ich wollte doch noch zwei oder drei Tage in Genf bleiben«, protestierte sie.
»Das hatte ich zuerst auch vor«, entgegnete er lächelnd. »Aber meine Geschäfte lassen sich nicht aufschieben.«
Trotzdem überredete sie ihn, noch einen Tag zu warten.
Als sie am nächsten Morgen zusammen frühstückten, wurde die Post gebracht. May sah ihre Briefe schnell durch, griff einen heraus und las ihn sofort. Er trug eine englische Marke und war zweifellos von Jasper Cole geschrieben. Frank bemerkte, wie aufmerksam sie das Schreiben las. Auch er hatte verschiedene Briefe erhalten, die er erwartet haben mußte, weil er sie hastig an sich nahm.
»Deine Post scheint nicht so befriedigend zu sein wie die meine«, sagte May.
»Angenehm ist sie auf keinen Fall«, erwiderte er mißmutig. »Ich wartete sehr auf eine bestimmte Nachricht.«
»Deshalb bist du wohl auch noch bis heute morgen geblieben? Um was handelt es sich denn?«
»Ich wollte eine Villa in der Nähe des Sees kaufen, und der dumme Agent in Lausanne versprach, mir umgehend mitzuteilen, ob mein Angebot angenommen worden ist.«
Er schaute vor sich hin und runzelte die Stirn.
Saul Arthur Mann, der ein großer Psychologe war, bemerkte die Enttäuschung in Franks Zügen sehr wohl. Auch er hatte darauf geachtet, welchen Brief er zuerst öffnete. Franks Ärger über den Hausagenten mußte seiner Meinung nach irgendeinen anderen Grund haben.
»Kann ich dir den Brief nicht nachschicken, falls er später ankommt?« fragte May.
»Das hilft nicht viel.« Frank verzog das Gesicht. »Ich wollte das Geschäft noch diese Woche zum Abschluß bringen.«
»Ich weiß eine Lösung. Ich werde den Brief öffnen und dir nach Paris telegrafieren, ob dein Angebot angenommen worden ist oder nicht.«
Frank lachte. »Das ist die Sache kaum wert. Aber es wäre sehr liebenswürdig von dir, wenn du mir nach Paris Nachricht geben wolltest.«
Mr. Mann war überzeugt, daß es Frank gleichgültig war, ob der Agent sein Angebot annahm oder nicht. Seiner Meinung nach war das Ganze nur ein Vorwand, um seinen Ärger zu verbergen.
»Sie haben aber ziemlich viel Post, Miss Nuttall«, meinte er.
»Ich habe erst einen Brief geöffnet - er ist von Jasper«, erwiderte sie schnell und errötete leicht.
»Von wo aus schreibt er denn?« fragte Frank und gab sich Mühe, ruhig zu sprechen.
»Aus England. Aber er hat die Absicht, nach Holland zu fahren. Es ist merkwürdig, wenn man denkt, daß er
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