0130 - Er zahlte mit seinem Blut
verlieren. Wenn wir Glück haben, können wir noch heute nacht den Steckbrief für zwei der fünf Gangster fertigmachen.«
Phil erklärte, daß er noch in der Bank bleiben wollte, bis alle Arbeiten abgeschlossen wären. Er wollte dann in einem der Fahrzeuge der Mordkommission zurück zum Districtsgebäude kommen.
Ich setzte mich also in den Jaguar und brauste zurück. Mit den beiden Spurenkarten ging ich in unsere daktyloskopische Abteilung und ließ nachsehen, ob die Abdrücke bei uns registriert waren.
Kurz vor elf Uhr bekam ich in meinem Office Bescheid. Der Kollege aus der daktyloskopischen Abteilung kam mit den beiden Karten zurück.
»Einen haben wir«, sagte er, und man sah es ihm an, daß es ihm selbst Spaß machte. »Hier ist seine Karteikarte Guy Wolters, 28 Jahre alt, viermal wegen Einbruchs vorbestraft. Das letzte Mal in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung.«
Er legte die Karteikarte des vorbestraften Gangsters auf meinem Schreibtisch. Aus drei üblichen Erkennungsdienstbildern blickte mich das stupide, brutale Gesicht eines Gewohnheitsverbrechers an. Wenn dieser Guy Wolters je im Leben mir gegenüberstehen würde, würde sein erster Griff der nach der Pistole sein. Das wußte ich, als ich nur sein Foto sah. Es gibt Leute, denen das Verbrechen auf die Stirn geschrieben steht.
»Mit dem werden wir nicht viel Arbeit haben«, sagte ich. »Der Kerl ist ein Verbrecher und bleibt einer. Der wird immer in den einschlägigen Kreisen verkehren, der wird seine Beute im Handumdrehen verjubelt haben und dann schon wieder die nächste Gelegenheit zu einem Verbrechen suchen. Viel schwieriger sind die Leute zu finden, die einen großen Coup landen und sich dann zurückziehen.«
Der Kollege bestätigte meine Ansicht. Zusammen verließen wir mein Office. Er ging zurück in die daktyloskopische Abteilung, ich zu unserem Fahndungsdienst, um dort den Steckbrief gegen Guy Wolters zu entwerfen.
Das war nachts gegen elf Uhr.
Zu dieser Stunde war der G-man Rock Jeffers schon tot.
***
Rock Jeffers hatte den Vormittag in seinem Abteil verbracht. Der Zug war schon sehr früh gefahren, und Rock hatte ein kleines Nickerchen gemacht.
Danach war er in den Speisewagen gegangen, nahm ein gutes Frühstück ein und suchte anschließend das Oberdeck eines Aussichtswagens auf. Hier bestand das Dach nur aus einer Plexiglashaube, die freien Rundblick erlaubte.
In wechselnder Vielfalt flog die Landschaft vorüber. Die Sonne stach von einem wolkenlosen Himmel und erlaubte einen weiten Fernblick, denn die Luft war klar und trocken.
Mit Mittagessen, kleinem Verdauungsschläfchen, Aussichtswagen und einem Spaziergang durch den ganzen Zug verging die Zeit. Unaufhörlich raste der schnellste Zug des amerikanischen Kontinents nach Osten, stellenweise durch die gleichen Täler, die seinerzeit die großen Trails der ersten Pioniere durchquert hatten.
Langsam wurde es Abend. Rock Jeffers war die Landschaft leid geworden. Möchte das Panorama auch noch so oft wechseln, mochte Getreideänbaugebiet übergehen in Steppe, diese enden in zackigen Felsklüften und wieder in saftigen Wiesen ihren Fortgang finden, er war des Schauens müde geworden.
Am Anfang War er froh darüber gewesen, daß ‘sein Abteil leer gewesen war, als er es in Frisco betreten hatte. Jetzt wünschte er sich einen Reisegefährten, mit dem er sich ein bißchen unterhalten konnte.
Gelangweilt bummelte er durch den Zug. Dann fiel ihm ein, daß er in seinem Schlafwagenabteil im Handkoffer einen Kriminalroman liegen hatte. Vielleicht war es ein spannendes Buch. Er konnte ja nicht schon um sieben ins Bett gehen. Da wäre er um Mitternacht oder kurz darauf für den Rest der Nacht wach geworden.
Er holte seinen Kriminalroman. Meistens ärgerte er sich über diese Art von Büchern nur, weil die meisten ihrer Autoren keine Ahnung von der kriminalistischen Wirklichkeit hatten. Privatdetektive, die ganz allein einen Mordfall bearbeiten — du lieber Himmel, wenn das je einer wagen sollte, wäre er seine Detektivlizenz bis in alle Ewigkeit los. Aber er wollte sich nicht in eine Stimmung der Voreingenommenheit versetzen, sagte er sich. Vielleicht ist es wirklich mal ein guter Kriminalroman.
Als er den Gang im Schlafwagen entlangtappte, der für seine Breite ein bißchen schmal war, begegnete er dem Nachtsteward.
»Möchten Sie schon ruhen, Sir?« fragte der pechschwarze Neger in seinem blütenweißen Jackett. »Darf ich Ihnen noch irgend etwas bringen?«
»Nein, danke«,
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