0132 - Der Todesnebel
Grenze zu Vauxhall. Keine sehr vornehme Gegend, aber auch nicht die allerschlechteste. Glasshouse Walk hieß die Straße. Ich steckte den Zettel ein und verließ den Lift. Er hatte mich direkt bis in die Tiefgarage des Yard gebracht, wo auch mein Bentley stand.
Wenige Sekunden später saß ich im Auto und startete. Die lange Schnauze des Wagens schoß aus der Ausfahrt, ich sah eine Lücke und reihte mich in den Verkehr ein.
Ich fuhr in Richtung Themse, hielt mich dabei etwas südlich, um auf die Vauxhall Bridge Road zu kommen.
Zum Glück geriet ich in keinen Stau und kam auch gut über die Brücke. Am Ostufer der Themse sah ich die großen Öltanks, die im Zeichen der Energiekrise bis zum Rand gefüllt waren, als eiserne Reserve. In dieser Gegend befand sich viel Industrie. Kurz vor dem Bahnhof bog ich nach links auf die breite Uferstraße, Albert Embankment genannt. Fünf Minuten später erreichte ich die Straße.
Glasshouse Walk.
Rechts ab.
Schon als ich einbog, fiel mir das Blaulicht auf. Etwa hundert Yards entfernt standen die Wagen. Davor staute sich der Verkehr.
Die Fahrer waren ausgestiegen und starrten zu den Polizeifahrzeugen hin, wobei sie heftig diskutierten.
Es war schwer, durchzukommen, deshalb machte ich aus der Not eine Tugend und fuhr über den Gehsteig.
Das ging so lange gut, bis mir zwei Cops mit wütenden Gesichtern entgegenliefen.
Ich stoppte, drückte auf den Knopf, und die Scheibe surrte nach unten.
»Was erlauben Sie sich?« wurde ich angeschrien. »Sie können hier nicht herfahren. Sie…«
Ich hielt den Männern meinen Ausweis entgegen.
Sie wurden sofort freundlicher und entschuldigten sich. Ich konnte sogar noch einige Yards weiterfahren, bis fast vor das Nebenhaus. Dort stieg ich aus.
»Im wievielten Stock ist es passiert?« fragte ich.
»Im letzten.«
Ich schaute am Haus hoch. Die Fassade sah ziemlich grau aus.
Die industrielle Umwelt hatte hier ihre Spuren hinterlassen. Sämtliche Fenster waren geschlossen. Hinter den Scheiben allerdings sah ich die neugierigen Gesichter der Hausbewohner.
»Gibt es eine Möglichkeit, ungesehen in die Etage zu gelangen?«
»Kaum.«
»Was heißt das?«
»Sie könnten es an der Rückseite versuchen, Sir!«
Ich nickte und sprach nach einer Weile weiter. »Ich habe Fotos gesehen, die von einem Reporter geschossen worden sind. Wo kann ich Mr. Conolly finden?«
»Im Streifenwagen!« knirschte der Bobby. »Wir haben ihn festgehalten, Sir.«
»Ich will sofort mit ihm reden.«
»Jawohl, Sir.«
Wir steuerten den Wagen an. »Hat sich inzwischen etwas an der Lage verändert?« wollte ich wissen.
»Nein!«
Das war gut. Die Polizei hatte zahlreiche Beamte anfahren lassen, um die Neugierigen wegzudrängen. Bill Conolly sah mich schon, und er winkte.
Der Bobby öffnete die Tür.
»Endlich, John!« rief mir Bill entgegen. »Die Kameraden hier haben mir die Kamera abgenommen und halten mich fest!«
»Jetzt nicht mehr«, grinste ich.
Einem Sergeant machte ich klar, daß ich Bill Conolly als Unterstützung brauchte.
Der Reporter konnte aussteigen.
»Ich habe deine Fotos gesehen.«
Bill grinste. »Das war gut. Dann haben die Beamten doch schnell geschaltet.« Er klopfte sich eine Zigarette aus der Packung. »Auch einen Glimmstengel?« Ich schüttelte den Kopf.
»Wie sieht es aus?« wollte ich wissen.
Bill ließ den Rauch aus dem linken Mundwinkel strömen. »Ich war zufällig hier, weil ich diese Straße fotografieren wollte. Die Stadt will die Häuser abreißen und andere hinsetzen. Die Bewohner wehrten sich. Du weißt ja Bescheid. Ich wollte einen Bericht machen, war in dem Haus, als die Schüsse fielen. Du kennst mich ja, ich war sofort am Ball, und es gelang mir, von der Rückseite her eine Aufnahme durch das Fenster zu schießen. Zweimal schaffte ich es.«
»Hast du die Bilder schon gesehen?«
Bill schüttelte den Kopf. »Nein, die wurden erst bei euch entwickelt. Aber ich sah den Jungen.« Seine Stimme klang plötzlich belegt.
Ich nickte.
»Hast du schon eine Erklärung, John?«
»Nein.«
»Aber es ist doch dein Fall?«
»Wahrscheinlich.«
»Okay, dann bin ich wieder mit von der Partie.«
Für einen kurzen Moment huschte ein flüchtiges Grinsen über meine Lippen. Das war der echte Bill Conolly. Wie ein Bluthund, der eine Spur entdeckt hatte. Dabei lag es erst knapp zwei Wochen zurück, als er mit Suko zusammen versucht hatte, mich aus der Klinik des Mr. Mondo zu befreien. Sie hatten es nicht geschafft, ich war zu einem
Weitere Kostenlose Bücher