0132 - Der Todesnebel
Untote waren es gewesen.
Jetzt gab es sie nicht mehr.
Diesmal sah Suko ebenfalls den feinen Schemen, wie er aus dem Körper stieg und sich mit den Nebelschwaden vereinigte.
Der Nebel!
Er bildete nach wie vor eine Gefahr und drängte immer stärker durch die offenen Fenster in die Kirche.
Die Menschen hatten eine kleine Galgenfrist, denn es dauerte, bis die Schwaden nach unten krochen.
Bills brauner Schopf tauchte auf, und Suko schrie den Namen des Reporters.
»Alles klar«, antwortete Bill.
»Wir müssen nach hinten!« brüllte Suko.
Jetzt half ihm wieder der Pfarrer. Er, Suko und Bill scheuchten die Menschen in den rückwärtigen Teil der Kirche, wo sie dicht zusammengedrängt stehenblieben.
Die meisten hatten die Hände gefaltet.
Auch der Geistliche. Mit lauter Stimme betete er vor, während seine Blicke auf den noch immer durch die Fenster quellenden Nebel gerichtet waren.
Auch Suko und Bill schauten dorthin. Der Reporter verzog hin und wieder das Gesicht.
Suko fiel das auf. »Ist was?«
»Nur eine Schramme.«
Die Schramme war so groß, daß das Blut sogar zu Boden tropfte und eine makabere Spur hinterließ.
»Und so begeben wir uns in den Schutz unseres Herrn«, betete der Pfarrer. »Denn er ist unser Hirte, er wird uns leiten, und nur er allein weiß, welche Pflichten und Strafen er uns auferlegt hat…«
Diese Worte klangen laut durch das gewaltige Kirchenschiff. Jeder hörte sie, aber jeder schaute auch auf den Nebel, der in immer dickeren Schwaden durch die fünf Fenster kroch…
***
Ich sah die Spitze des Degens dicht vor meinem Gesicht aufblitzen, wartete bis zum letzten Augenblick und tauchte zur Seite.
An meiner Schulter rasierten die Klinge und der untote Kapitän vorbei. Ich wollte es mir leicht machen und gleichzeitig mit dem Kreuz zuschlagen, doch irgendwie knickte ich um und verlor das Gleichgewicht.
Mist!
Bevor ich meine Balance wiedergefunden hatte, kreiselte der Untote bereits auf dem Absatz herum und setzte zu einem zweiten Angriff an.
Diesmal reagierte ich anders. Wirkungsvoller, aber auch spektakulärer. Ich schleuderte mein Kreuz samt Kette dem Untoten entgegen, und ich warf die Kette so raffiniert, daß sie sich gedankenschnell um den Degen wickelte und daran hochrollte.
Der Kapitän schrie auf. Er sah das Unheil, konnte es aber nicht mehr aufhalten.
Die Kette wickelte sich um seine Hand, die geweihte Kraft berührte ihn, und die gesamte, konzentrierte Macht der Weißen Magie kam über ihn wie der rächende Geist eines Titanen.
Ein Blitz, hell wie die Sonne, platzte plötzlich vor meinen Augen auf und umloderte den Zombie. Er riß ihn förmlich auseinander. In den verwehenden Schrei puffte eine gewaltige Wolke aus Staub und Körperteilen hoch, welche sich noch in der Luft auflösten.
Dann gab es ihn nicht mehr.
Nur das Kreuz lag am Boden.
Ich hob es auf.
Jetzt mußte ich in die Kirche, denn was ich von dort gehört hatte, war schrecklich genug gewesen.
Auf halbem Weg stoppte ich.
Etwas Unerklärliches geschah.
Der Nebel zog sich zurück.
Ja, er löste sich auf.
Schneller, viel schneller, als er gekommen war, wanderte er wieder in Richtung Meer, als würden gewaltige Hände ihn voranschieben. Er wallte der Küste entgegen, zog sich aus der Kirche zurück, und schon bald war der Platz wieder frei.
Ich hörte die Jubelschreie, und im nächsten Augenblick wurde die Tür der Kirche aufgestoßen.
Unter den ersten, die das Gotteshaus verließen, waren Bill, Suko und der Pfarrer.
»John«, schrie der Reporter, »wie hast du das geschafft?«
Wie hatte ich das geschafft? Ich wußte es selbst nicht.
Das sagte ich auch Bill.
»Auf jeden Fall ist der Nebel weg«, lächelte Suko und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Die meisten Menschen waren vor der Kirche auf die Knie gesunken und murmelten Dankgebete. Auch der Pfarrer betete laut vor.
Ich konnte die Menschen verstehen, doch richtig glücklich war ich nicht.
Als ich sah, daß Suko Bill stützte, wurde ich aufmerksam und sah seine Verletzung.
Bill lächelte. »Nur ein Kratzer.«
Das nahm ich ihm nicht ab. »Sage gleich dem Sanitäter Bescheid«, forderte ich ihn auf.
Dann ließ ich die anderen stehen und schritt mutterseelenallein dem Hafen zu.
Die Schiffe waren wieder zu sehen. Als hätte es den Nebel nie gegeben, doch ich entdeckte ihn noch.
Weit draußen auf dem Meer hatte er sich zu einer viel dichteren Wolke zusammengeballt. Er hatte Verstärkung bekommen, andere Seelen waren ihm zugeführt
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