0132 - Wir und der Raketenprofessor
die Tasche in Empfang und besah mir zuerst den ganz ansehnlichen Packen Briefe. Die Hälfte davon reichte ich Phil hinüber.
Es waren wirklich nur Liebesbriefe, und ich konnte mir vorstellen, dass dem Professor das Herz dabei warm geworden war. Als wir damit fertig waren, räumten wir den übrigen Inhalt aus. Er bestand aus dem üblichen Krimskrams, den Frauen so mit sich herumschleppen und so reichte ich ihr die Tasche einschließlich der Briefe zurück.
»Wenn Sie Professor Burns so gut kannten, Miss Barley, so können Sie uns auch sicherlich einige Fragen beantworten. Es wird behauptet, er habe durch einen Sprung vom Columbia Building Selbstmord begangen. Was sagen Sie dazu?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe nie daran gedacht, Claude könne etwas Derartiges tun. Er war in letzter Zeit sehr nervös und missgestimmt, aber ich dachte nicht an etwas Ernsthaftes. Er machte auch gelegentlich die Bemerkung, er habe alles satt, aber das sagt jeder schon mal.«
»Wissen Sie, mit wem er verkehrte und mit wem er geschäftliche Unterhandlungen führte?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Wenn wir uns verabredeten, so geschah das, um allein zu sein. Wenn wir uns zufällig trafen, so war es im ›Gouverneurs-Club‹, wo jeder jeden kennt. Über seine Forschungen oder gar über geschäftliche Dinge sprach Claude niemals mit mir.«
Ich konnte mir das vorstellen. Wenn man so ein hübsches Mädchen zur Freundin hat, so wird man sie bestimmt nicht mit Dingen langweilen, von denen sie nichts versteht.
Unwillkürlich sah ich auf die Uhr. Es war zwei Stunden nach Mitternacht.
»Soll ich Ihnen ein Taxi rufen?«, fragte ich.
»Nichtmötig. Ich habe meinen Wagen draußen stehen. Wenn Sie mich brauchen, so können Sie mich im Office erreichen. Übrigens wohne ich in der Lincoln Street 17. Wissen Sie, wo das ist?«
»Keine Ahnung«, entgegnete ich wahrheitsgemäß.
»In Clarendon. Sie brauchen nur den Wilson Boulevard hinaufzufahren. Jeder Cop kann Ihnen dann Bescheid sagen.«
Sie stand auf, und ich brachte sie hinaus.
»Ihren Hausschlüssel müssen Sie aber schon hierlassen«, meinte ich. »Sie haben ja jetzt auch kein Interesse mehr daran, ihn zu behalten.«
»Nein, aber ich würde mich freuen, Sie einmal wiederzusehen. Fragen Sie im ›Gouvemeurs Club‹ nach mir, oder rufen Sie mich an. Manchmal bin ich auch in New York. Kennen Sie ›Moros‹ in der 47. Straße?«
Und ob ich »Moros« kannte! Es ist ein sehr eleganter Nachtklub. Man trifft dort die jüngere Generation der oberen Zehntausend, die dorthin geht, wenn sie sich mal austoben will. Es ist nicht das Lokal, wo man eine kleine Sekretärin zu finden erwartet. Aber das Mädchen war bildhübsch, und warum sollte sie sich nicht amüsieren?
»Kommen Sie gut nach Hause, Miss Barley«, sagte ich. »Vielleicht lasse ich einmal von mir hören.«
»Hoffentlich«, zwitscherte sie.
Ich begleitete sie zur Tür und sah zu, wie sie sich in ihren Wagen setzte. Dann machte ich kehrt und verschloss vorsichtshalber die Tür von innen. Ich ließ den Schlüssel stecken und ging ins Zimmer zurück.
Dort stand Phil vor dem geöffneten Safe und hielt ein kleines rotes Notizbuch in der Hand.
»Komisch«, meinte er. »Wer legt schon ein leeres Buch da hinein?«
Ich besah mir das Ding. Es war in Leder gebunden und absolut jungfräulich. Keine Zeile stand darin.
»Der liebe Gott mag wissen, was dieser ulkige Vogel damit vorhatte.«
»Was hältst du von dem Mädchen?«, fragte Phil.
»Ein kleiner-Teufel.« Ich lachte. »Sie hat den Professor verliebt gemacht und, da er sowieso kein Freund von Traurigkeit ist, sich auf seine Kosten amüsiert. Glaubst du etwa, sie habe sich das Hundert-Dollar-Kleid selbst gekauft?«
»Ganz bestimmt nicht.«
Phil begann zu gähnen und ich schloss mich an. Dann holten wir die Flasche mit dem Scotch nochmals aus dem Kühlschrank und genehmigten uns einen Schlaftrunk.
Am Morgen um acht Uhr wurden wir recht unsanft geweckt. Es waren ein paar Leute von der Zentrale, die die Wache im Haus übernehmen sollten.
Im Laufe des Tages sollten auch noch ein paar Sachverständige kommen, um das Laboratorium einer gründlichen Prüfung zu unterziehen.
Die Untersuchung des toten Wachhundes hatte ergeben, dass dieser vergiftet worden war. Der Fahrer, der als Einziger das Haus gehütet hatte, war wieder zu sich gekommen. Er gab an, es habe geklingelt, und als er die Tür öffnete, sei er so schnell niedergeschlagen worden, dass er seinen Angreifer gar nicht erkannte. Der
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