0132 - Wir und der Raketenprofessor
kostbaren Schatz, und mit der anderen Hand umklammerte sie ihr bestrumpftes Füßchen, das sie sich bei ihrem überstürzten Fluchtversuch irgendwo gestoßen hatte.
»Guten Abend, meine Dame«, sagte ich lächelnd. »Wo kommen Sie denn jetzt mitten in der Nacht her?«
Sie machte ein Gesicht, als wolle sie in Tränen ausbrechen. Dann besann sie sich eines Besseren.
»Bitte holen Sie mir meine Schuhe«, bat sie. »Sie stehen in der Diele vor der Tür.«
Das war so schrecklich lächerlich, dass ich mir ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Einen Augenblick dachte ich daran, die Kleine wolle mich nur ablenken, um mich vielleicht hinterrücks über den Haufen zu knallen, aber wo sollte sie ein Schießeisen versteckt haben?
Ihr Kleid war so eng, so kurz und so dünn, dass sich auch die kleinste FN-Pistole hätte abzeichnen müssen. Ich riskierte es also, ihr den Gefallen zu tun. Die Schuhe, Größe fünfunddreißig, standen genau dort, wo sie gesagt hatte. Ich reichte sie ihr und sah zu, wie sie zuerst den Unken, dann den rechten überstreifte. Jetzt schien sie ihr Selbstbewusstsein wieder gefunden zu haben.
»Ich habe Sie gar nicht gesehen«, sagte sie und lächelte verführerisch. »Wie kommen Sie denn hierher?«
»Dasselbe möchte ich Sie fragen. Was Sie da gemacht haben ist, wenn ich mich nicht irre, ein Einbruch und dafür kommt man ins Gefängnis.«
»Sie werden mich doch nicht verraten? Sie sind doch ein so sympathischer junger Mann. Ich wollte ja nur meine Briefe zurückholen.«
»Was für Briefe?«
Bevor sie antworten konnte, knarrte hinter mir eine Tür, und als ich mich umsah, steckte Phil seinen verschlafenen und zerzausten Kopf in das Zimmer.
»Was ist denn jetzt schon wieder los?«, knurrte er. Dann sah er das blonde Mädchen in dem phantastischen Abendkleid. »Einen Augenblick!« Mit diesem Ausruf verschwand er wieder.
Als er eine Minute später erneut auftauchte, hatte er sich gekämmt und war in sein Jackett geschlüpft.
»Wir haben Besuch bekommen«, erklärte ich ihm. »Die junge Dame scheint hier besser Bescheid zu wissen als wir.« Ich zeigte hinüber nach dem geöffneten Wandsafe. »Sie behauptet, sie habe ihre Briefe holen wollen, aber ich weiß bisher noch nicht, wer sie ist, wie sie hereinkam und was für Briefe das sind.«
»Muss ich das wirklich alles sagen?«, meinte sie verlegen.
»Es wird Ihnen wohl nichts anderes übrig bleiben. Sie sind in ein fremdes Haus eingedrungen und haben ein Wandsafe geöffnet, um ihm Papiere zu entnehmen, von denen Sie behaupten, es seien Ihre Briefe. Das können wir glauben, aber wir können es auch lassen.«
Ich hielt ihr meinen Ausweis unter die Nase, von dem sie mit einem Ausruf der Überraschung Kenntnis nahm.
»Ein G-man!«, hauchte sie ehrfürchtig. »Da muss ich Ihnen wohl die Wahrheit sagen. Ich bin Dolly Barley und arbeite als Sekretärin im Atomic Energy Institut in der Virgina Avenue. Ich war während der letzten sechs Monate eng befreundet mit Claude Burns. Sie wissen ja wahrscheinlich, dass hier absolut nichts los ist. Nicht einmal einen netten Freund kann man auftreiben und so war ich froh, als ich Claude kennenlernte, trotzdem er dreißig Jahre älter ist als ich. Wir vertrugen uns ausgezeichnet. Und wie das so geht, schrieb ich ihm, wenn er unterwegs war, zuweilen einen Brief.« Sie lachte verlegen. »Diese Briefe hob er dort drüben auf. Er zeigte sie mir wiederholt. Als ich nun heute Abend durch das Radio erfuhr, dass Claude zu Tode gestürzt sei, war mein erster Gedanke, meine Briefe zurückzubekommen. Ich weiß, wie das jetzt geht. Sie werden gefunden, die Reporter bekommen Wind davon und ich bin die Blamierte. Ich hätte nichts anderes tun können als ausrücken. Claude hatte mir schon vor einiger Zeit einen Schlüssel zum Haus gegeben und da riskierte ich es eben. Ich glaubte, es sei niemand da.«
»Das ist ja alles ganz schön und gut, aber wie kamen Sie an den Schlüssel zum Safe?«
»Der lag immer in der kleinen Cloisonne-Vase, die dort auf dem Schränkchen steht. Das war kein Problem.«
»Man sollte doch meinen, Professor Burns habe in einem Wandsafe auch wichtigere Dinge aufbewahrt als Liebesbriefe.«
»Sie können sich davon überzeugen. Wenn Sie wollen, so durchsuchen Sie mich.«
»Ich glaube, es genügt, wenn Sie mir Ihre Tasche zeigen«, meinte ich.
Sie hatte ja wirklich nicht gewusst, dass sie überrascht werden würde, und darum keinen Grund gehabt, irgendetwas zu verstecken.
»Bitte«, sagte sie.
Ich nahm
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