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0137 - Die Bestien der Madame

0137 - Die Bestien der Madame

Titel: 0137 - Die Bestien der Madame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Tenkrat
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Räucherstäbchen in den Boden. Der Rauch roch nach Schwefel. Die Hexe trat zurück. Shirley konnte sie bald nicht mehr sehen. Schwaden umtanzten sie, die immer dichter wurden. Sie fühlte sich abgetastet, angefaßt. Finger griffen in ihr Haar, zerzausten es. Wohlige Schauer durchliefen ihren Körper. Sie wiegte sich leicht hin und her, während das kupferne Sigill allmählich zu glühen begann.
    Langsam löste sich der Teufelskopf vom Boden.
    Er schwebte hoch.
    Haß, Bosheit, Gemeinheit war im Blick des Satans.
    Sein Gesicht schwebte vor Shirleys Augen. Langsam kam es näher. Shirley Jennings stockte unwillkürlich der Atem. Die Dämpfe, die sie umhüllten, waren berauschend. Sie entzückten sie. Sie ließen in ihr den Wunsch aufkeimen, mit Leib und Seele dem Teufel zu gehören.
    »Nimm mich!« flüsterte sie. »Nimm mich, Herr der Finsternis!«
    Sein glühendes Gesicht legte sich über ihr Antlitz. Ein kurzes schmerzhaftes Brennen. Shirley schrie auf. Mit beiden Händen griff sie nach ihrem Gesicht. Verwundert stellte sie fest, daß ihre Finger etwas ertasteten, das nicht zu ihr gehörte.
    Eine kolossale Veränderung ging mit ihr vor. Sie spürte es. Ihr Kopf wuchs. Er wurde rund und bedeckte sich mit weichem Fell.
    Sie wußte mit einemmal, daß sie auch Katzenaugen hatte. Wie Madame M. Sie ließ die Hände sinken und richtete ihren Blick darauf.
    Es waren keine Hände mehr.
    Tatzen waren es nun.
    Aus dem Rauch, der sie immer noch umschmeichelte, wurde ein Spiegel, und Shirley Jennings konnte sehen, was aus ihr geworden war.
    Eine Tigerfrau!
    Aber sie war nicht unglücklich darüber. Im Gegenteil, sie war stolz darauf, daß Madames Wahl auf sie gefallen war.
    ***
    Tags darauf war ich schon früh im Büro. Glenda Perkins, meine Sekretärin, brachte mir einen Kaffee.
    »Haben Sie die Handwerker im Haus oder sind Sie gleich von irgendeiner Bar hierher gekommen?« fragte das schwarzhaarige Mädchen schelmisch lächelnd.
    »Weder noch«, gab ich zurück.
    »Was treibt Sie dann so früh an den Schreibtisch?«
    »Mein Pflichtbewußtsein.«
    »Hat das jeder Mensch?«
    »Jedenfalls sollte es jeder haben«, erwiderte ich.
    Sie schaute mich vorsichtig von der Seite an. »Ist Ihnen etwas über die Leber gelaufen, John?«
    »Ja. Ein Monster. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich jetzt arbeiten ließen.«
    »Habe schon verstanden. Niemand soll behaupten, hübsche Mädchen wären dümmer als häßliche«, sagte Glenda und machte die Tür von außen zu. Ich hatte die Kollegen in der Computerabteilung gebeten, mir so schnell wie möglich alles über Madame M. zu beschaffen, was im Computer gespeichert war.
    Es war leider nicht sehr viel.
    Nur daß Madame M. mit vollem Namen Melissa Morte hieß und eine Zeitlang mit einem Wanderzirkus durch die Lande gezogen war, bevor sie sich von ihren Ersparnissen dieses Horrorkabinett eingerichtet hatte. Ihre Ungeheuer sollten sehenswert sein. So richtig zum Gruseln. Die Monstershow gab es erst seit kurzem, und Madame M. hatte der Presse gegenüber verlauten lassen, daß sie das Angebot laufend ergänzen und ausweiten wolle.
    Madame Melissa Morte!
    Ich war neugierig auf diese Frau.
    Aber noch konnte ich sie nicht aufsuchen, denn ich hatte Claire Biggers zu mir bestellt.
    Sie traf mit ihrem Bruder ein. Wenn ich die Augen schloß, hatte ich den Eindruck, einen guten Bekannten vor mir zu haben. Mit offenen Augen mußte ich allerdings feststellen, daß mir ein Fremder gegenübersaß. Ehrlich gesagt, ich hatte mir den Rundfunkmoderator ganz anders vorgestellt. Stattlicher, größer.
    Der Mann vor mir war klein. Er trug eine randlose Brille, und seine Stimme paßte überhaupt nicht zu ihm.
    Zwischen Claire und ihm war nicht die geringste Ähnlichkeit festzustellen, obwohl sie Geschwister waren.
    Ich blickte das blonde Mädchen an. »Wie geht es Ihnen?«
    Sie winkte ab. »Ich fühle mich elend.«
    »Unser Hausarzt mußte sich um sie bemühen«, sagte Bertie Biggers. »Ohne Schlaftabletten hätte sie heute nacht kein Auge zugetan.«
    »Das kann ich verstehen«, sagte ich. »Sie hatte ja auch ein schreckliches Erlebnis hinter sich.«
    »Wobei mein bester Freund sein Leben verloren hat«, ergänzte Bertie Biggers. Es klang beinahe wie ein Vorwurf. Oder irrte ich mich? Wollte Biggers andeuten, ich hätte nicht genug getan, um Henry Taviss dieses furchtbare Ende zu ersparen? Zugegeben, an diesem Tag war auch ich nicht gerade besonders in Form, und es bestand deshalb die Gefahr, daß ich jemanden sehr

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