0137 - Wir und die Diamanten-Gang
war doch schwerer, als man angenommen hatte. Die Kugel hatte nicht nur eine Arterie durchschlagen, sondern auch einen Knochen zersplittert. Sie musste operiert werden, und es war noch zweifelhaft, ob das Bein gerettet werden könne. Das Schlimme dabei war, das der Arzt keine Vernehmung zuließ.
Lucia ging es von Tag zu Tag besser. Sie würde in einer halben Woche nach Hause können. Paul King besuchte sie jeden zweiten Tag, und es war bereits beschlossen, dass sie heiraten würden, sobald das ging. Die einzige Schwierigkeit bestand darin, dass das Mädchen minderjährig war und kein Mensch wusste, wer für sie zuständig sei. Gainor wollte das Testament erst eröffnen, wenn sie aus dem Hospital entlassen war, und so mussten,wir eben solange warten. Ich riet den beiden jungen Leuten, gegebenenfalls bei Gericht zu beantragen, dass Lucia vorzeitig mündiggesprochen werde dann konnte ihnen keiner das Heiraten verbieten.
Bianca Marino regierte im Hause ihres Bruders, als ob sie die alleinige Erbin sei, schikanierte Sarah und hatte allabendlich Besuch von Rechtsanwalt Gainor, wenn sie nicht gerade mit ihm ausging. Von Haverley erfuhr ich, dass Gainor kaum noch in seiner Praxis anzutreffen sei. Verschiedene seiner Klienten waren bereits abgesprungen. Ich konnte mir lebhaft denken, warum. Wenn Lucia ihren Paul heiratete, warum sollte dann Tante Bianca sich nicht mit ihrem ältlichen Liebhaber verehelichen?
Am Abend des gleichen Tages gab es einen Schlag ins Kontor. Mr. Rockerfield telefonierte und ersuchte uns, ihn sofort zu besuchen. Er brauche unsere Hilfe. Da es gerade die Cocktailstunde war, schmückten wir uns mit den inzwischen frisch gewaschenen Dinnerjacketts und fuhren ins »Oasis«. Mister Rockerfield war ganz oben auf der Palme. Er wütete. Der Scheck, den er Pride gegeben hatte, war in New York eingelöst worden. Bei einem gewöhnlichen Sterblichen hätte das nicht geklappt, aber Mr. Rockerfields Unterschrift war über jeden Zweifel erhaben, und so hatte ausgerechnet die First National am Broadway die 250 000 Dollar ausgezahlt.
Rockerfield hatte das nur so ganz beiläufig erfahren, als ihm der Bankauszug übersandt wurde. Wie derartige Leute sind, glaubte er, es bedürfe nur eines Winkes mit dem Zeigefinger, um das FBI zu veranlassen, hinter dem Gauner herzujagen, der ihn um 250 000 Dollar gebracht hatte. Wir sagten nicht gerade Nein, machten ihm aber klar, dass wir von hier aus nicht viel unternehmen könnten. Wir versprachen ihm lediglich, sofort ein Fernschreiben nach New York loszulassen. Damit war er zufrieden, und wir hatten keine Verpflichtung übernommen. Zum Dank lud er uns zum Dinner ein. Dabei lernten wir denn auch seine Frau Grace und seine Tochter Polly kennen. Der Sohn war unterwegs.
Als ich Grace Rockerfield zu Gesicht bekam, wurde mir schwach. Da regte sich dieser Mann nun auf, weil ihn jemand um eine viertel Million Dollar betrogen hatte, und dabei trug seine Frau mindestens das Vierfache mit sich herum.
Die Tochter war blond, süß und jung. Was mir imponierte, war, dass sie fast keinen Schmuck trug, und das wenige war ihrem Alter angepasst.
Einige Tische von uns entfernt hatte sich Brillanten-Fred mit seiner Florence niedergelassen. Zu meinem Erstaunen bemerkte ich, dass er Rockerfield grüßte und dieser Gruß beantwortet wurde.
»Kennen Sie die Herrschaften da drüben?«, fragte ich.
»Nicht sehr gut«, meinte er. »Aber der Mann ist amüsant und spielt ein anständiges Poker. Mehr kann man von einer Hotelbekanntschaft nicht verlangen.« Augenblicklich konnte ich nichts sagen, aber ich nahm mir vor, den Millionär zu warnen. Eine Freundschaft mit Brillanten-Fred konnte immerhin unangenehme Folgen haben.
Gegen elf Uhr begann Mrs. Rockerfield hinter der vorgehaltenen Hand diskret zu gähnen. Wir verstanden die Andeutung und verabschiedeten uns. Wir hatten im Laufe des Abends ziemlich viel getrunken und beschlossen darum, noch eine kleine Spazierfahrt zu machen, um unsere Köpfe auszulüften. Wir zottelten Palm Canyon hinauf bis an die Ausfallstraße nach Los Angeles. Und als wir dort noch ein geöffnetes Rasthaus fanden, stoppten wir. Wir hatten Lust nach einer zünftigen Flasche Bier.
Das Lokal hieß »Hollywood Drive Inn«, aber wir fanden dort ebenso wenig Filmstars wie in den anderen Lokalen. An der Theke saßen zwei Lastwagenfahrer und im dämmerigen Hintergrund ein paar Pärchen, um die wir uns nicht kümmerten. Der Wirt war ein dicker, gemütlicher und rothaariger Mann, der
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