0138 - Der Höllensohn
»Man hätte euch zusammen weggehen lassen müssen. Das Blut des Stammes wäre nicht vermischt worden, da eure Kinder überhaupt nicht bei den Imouhar gelebt hätten. Mein grausamer Onkel trägt allein die Schuld daran, daß Hadda dem Dämon ausgeliefert wurde. Abd el Malek ist durch und durch böse und schlecht.«
Omar war buchstäblich in letzter Sekunde erschienen. Er hatte sich heimlich von der Oase weggeschlichen. Er hörte das Heulen der Schakale, und er ließ das Kamel zurück, das er für Roger Marais mitbrachte.
Er mußte es an der Leine führen, und es hielt ihn nur auf. Omar preschte los, auf die Düne, um ein gutes Schußfeld zu haben. Roger hatte nur auf die Schakale geachtet. Das Säuseln des Nachtwindes, der Sand- und Staubfahnen über die Wüste trug, überdeckte zusätzlich die leisen Geräusche der Kamelhufe im Sand.
Roger setzte sich wieder nieder, er war noch schwach in den Knien.
Omar trat die beiden Schakalskadaver von der Düne. Er ließ Roger den Wasserschlauch, und er brachte ihm die Provianttasche.
Dann ritt er los, um das Kamel für den Franzosen zu holen. Roger trank von dem Dattelschnaps in dem kleinen hellen Fläschchen. Der Prophet hatte zwar den Alkohol allgemein verboten, aber als Medizin war er erlaubt. Ein Grund für die Tuareg, den scharfen Schnaps zu destillieren.
Ein paar Schlucke erfüllten Rogers Körper mit flüssigem Feuer. Er aß Hirsebrei mit Hammelfleisch, und er fühlte, wie seine Kräfte zurückkehrten. In bester Verfassung war Roger Marais nach der Mahlzeit zwar noch keineswegs, aber durchaus in der Lage, um einen längeren Kamelritt durchzustehen.
Die abgrundtiefe Verzweiflung und der Schmerz in seinem Innern wollten nicht weichen. Was nützte es ihm, daß er lebte, wenn er Hadda verloren hatte?
Er sah Omar ben Tawil anreiten, ein zweites Kamel am Zügel. Der Targi ließ beide Kamele am Fuß der hohen Düne stehen und stieg durch den weichen Sand nach oben.
»Ich danke dir von ganzem Herzen, Omar«, sagte Roger. »Aber ich kann nicht einfach wegreiten und alles hinter mir lassen. Was ist mit Hadda? Wie kann ich zu ihr gelangen? Es muß einen Weg geben, sie zu retten.«
Omar ben Tawil senkte den Kopf und sagte traurig: »Es gibt keinen. Du mußt sie vergessen. In den Küstenstädten kannst du viele Mädchen finden.«
»Ich will nur Hadda. Sie oder keine. Ich lasse sie nicht im Stich. Ich werde sie aus Dschafar al Kharums Klauen befreien oder dabei sterben.«
Der Targi hielt ihm den Mund zu.
»Still, bist du von Sinnen, den Namen des großen Dschinns so laut zu nennen? Willst du ein Schicksal herausfordern, das weit schlimmer ist, als von Schakalen bei lebendigem Leib gefressen zu werden? Vergiß sie, sage ich, kehre nach Casablanca zurück und komm nie wieder zu den Tuareg. Keins der Opfer des großen Dschinn ist jemals zurückgekehrt in all den vielen hundert Jahren. Niemand weiß, von wie vielen Karawanen der Dämon seine Opfer gefordert hat. Er ist unsterblich, niemand kann ihn töten. Tapfere Männer versuchten es, darunter viele Tuareg. Aber sie bezahlten den Versuch alle mit dem Leben.«
»Ich wage es!« rief Roger Marais. »Ich reite in die Wüste und rufe Dscha… des Dschinns Namen.«
Er wollte Omar nicht in Gefahr bringen, deshalb nannte er ihn nicht. Der Targi versuchte, Roger Marais sein Vorhaben auszureden, aber es war aussichtslos. Der Franzose wollte Hadda nicht im Stich lassen und, wenn keine andere Möglichkeit blieb, ihr Schicksal teilen.
Wenn nicht anderswo, dann wollte er im Reich des Dämons mit ihr Zusammensein. Omar ben Tawil gab ihm seinen Dolch und die doppelläufige Reiterpistole.
»Nimm diese Waffen, obwohl ich nicht glaube, daß sie dir nutzen werden. Den Dschinn verletzen keine Kugel und keine Messerklinge. Du bist ein tapferer Mann, ich möchte dein Blutsbruder sein. Aber ich begleite dich nicht, wenn du den Dämon herausforderst. Denn ich habe noch eine Aufgabe zu erfüllen und kann mein Leben nicht wegwerfen. Abd el Malek soll für seine Verbrechen bezahlen. Das ist mein Ziel, und dafür setze ich alles ein.«
Die beiden Männer verabschiedeten sich am Fuß der Sanddüne.
Sie schüttelten sich die Hände. Der Targi küßte den Franzosen auf beide Wangen und rief den Segen Allahs und des Propheten auf ihn herab.
Er sah den Franzosen vom Kamm der Düne aus davonreiten.
Trauer, Bitterkeit und Schmerz erfüllten Omar ben Tawils Herz und wollten es schier zersprengen. Aber da war auch Wut auf den grausamen Sheik Abd el
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