0138 - Der Höllensohn
Zamorra, und seine Gefährten in deine Hand!«
Nach den letzten Worte wendete der Sheik sein Bihari-Kamel und ritt in gemäßigtem Tempo davon.
»Diesmal erwischt es mich wohl, alter Freund«, sagte Bill Fleming zu Zamorra. »Ich hoffe, daß du dich doch noch aus dieser Klemme herauswinden kannst und daß du Abd el Malek bestrafen und den Dämon zerstören wirst. – Leb wohl, Zamorra.«
Professor Zamorra blickte nur seine geliebte Nicole Duval an. Tränen standen in ihren Augen, und ihre Blicke sagten mehr als tausend Worte. Sie küßte Zamorra.
»Ich werde alles tun, um dich aus den Klauen des Dämons zu befreien, Nicole«, flüsterte Zamorra, als das eigenartige Singen und Klingen und die disharmonischen Laute ertönten.
Ein eiskalter Hauch wehte über die Wüste. Ein Heulen wie von einem riesigen Schakal erklang, und unter den Sternen manifestierte sich die Fata Morgana des Grauens. Diesmal war Zamorra nicht durch sein magisches Amulett geschützt.
Er vergaß alles andere, als er das herrliche weiße Marmorschloß, die blühenden Parks und Haine, die kristallklaren Bäche und Teiche und die überirdisch schönen und glücklichen Menschen sah. Er hörte wohltönende Musik und roch einen aromatischen Duft.
»Kommt zu uns!« lockten die singenden, tanzenden, lachenden Menschen. »Hier ist es so schön! Worauf wartet ihr noch?«
Eine ungeheure Sehnsucht erfaßte Zamorra und wollte ihm das Herz in der Brust zersprengen. Er bäumte sich auf und zerrte an seinen Fesseln, genauso Roger Marais und der Marabut. Sie sahen Nicole Duval und Bill Fleming lachend und jubelnd der überirdisch schönen Fata Morgana entgegenlaufen. Zamorra, Roger Marais und Ibn Osman baten, bettelten und fluchten, sie bemühten sich aus Leibeskräften, ihre Fesseln zu sprengen.
»Dschafar al Kharum!« so riefen sie. »Nimm auch uns in dein Reich, o großer, mächtiger Dschinn! Laß uns nicht zurück!«
Nicole Duval und Bill Fleming wurden in der Ferne immer kleiner.
Zamorra, der Marabut und Roger Marais sahen sie in die Luft hinauflaufen, gemeinsam erreichten sie den Park. Ihre Fesseln fielen von ihnen ab, und sie warfen jauchzend die Arme empor.
»Dschafar al Kharum!« flehten Roger Marais und Ibn Osman.
Die Szene veränderte sich, das strahlende Bild wurde zu einer Horrorerscheinung. Hinter seinem monströsen Schloß drohte der riesige Dämonenkopf Dschafar al Kharums. Schrille, kreischende Klänge und Jammer- und Klagegeschrei gellten.
Die Fata Morgana verdüsterte sich immer mehr.
»Hadda bent Fatima hat meinen Thronsaal bereits betreten, Roger Marais!« gellte die Stimme des Dämons in den Köpfen der Gefesselten. »Nicole Duval und Bill Fleming sollen meine nächsten Opfer sein. Bald werde ich deine Lebenskräfte verzehren, Meister des Übersinnlichen!«
Ein dröhnendes, dämonisches Gelächter gellte. Die schwarze Wolke am Himmel zog ins Jenseits hinüber. In der Wüste verhielt sich alles wieder wie zuvor. Zamorra, Roger Marais und der Marabut aber waren jäh ernüchtert.
Ein ungeheurer seelischer Schmerz erfüllte Zamorra. Er wälzte sich herum und vergrub sein Gesicht im Wüstensand. Er merkte kaum, wie die Tuareg zurückkehrten und ihn ins Lager schleppten.
***
Am Vormittag entstand ein Tumult im Wüstenlager der Tuareg.
Reiter waren ins Lager gekommen. Jetzt schrien aufgeregte Stimmen durcheinander, und zwei, drei Schüsse krachten. Zamorra, Roger Marais und der Marabut lagen gefesselt im Zelt.
Sie hörten Abd el Malek mit überschnappender Stimme brüllen.
Ein Targi mit schwarzem Burnus und blauem Litham stürmte ins Zelt, durchschnitt die Fesseln der drei Gefangenen und drückte Zamorra Bill Flemings Colt Combat Commander in die Hand.
»Omar ben Tawil ist da!« stammelte er aufgeregt. »Die Adscher-Imouhar haben sich gegen Abd el Malek erhoben. Der abgesetzte Sheik droht, den Sohn der Hölle herbeizurufen!«
Zamorra stürmte sofort aus dem Zelt. Er sah Abd el Malek in der Mitte des Lagers stehen, von aufgeregten, bewaffneten Tuareg zu Fuß umringt. Waffen waren auf den Sheik gerichtet, der sein silbernes Pfeifchen an den Lippen hielt. Ein einziger Parteigänger des Sheiks lag erschossen zu seinen Füßen.
Omar ben Tawil und einige weitere Kamelreiter hielten am Rand der aufgebrachten Menge. Ben Tawil rief sofort Zamorra an, dem Roger Marais und der Marabut folgten.
»Abd el Malek trägt allein die Verantwortung für das, was geschehen ist!« rief Omar ben Tawil auf Französisch. »Es war nicht der Wille des
Weitere Kostenlose Bücher