0138 - Der Höllensohn
er von der Piste aus nicht mehr zu sehen.
Zamorra mußte wieder aussteigen. Er zermarterte sich den Kopf auf der Suche nach einem Ausweg, doch im Moment hatte Abd el Malek völlig die Oberhand. Zamorra ärgerte es sehr, daß er mit dem Tuareg-Sheik überhaupt nicht gerechnet hatte.
Aber das hätte wohl auch nicht viel geändert.
»Zeige mir die Schrifttafel!« verlangte Abd el Malek, als er mit der Hauptschar der Tuareg und den vier Gefangenen herangeritten war.
»Und wehe dir, du hast mich belogen.«
Roger Marais trug den Kumiat und die doppelläufige Reiterpistole Omar ben Tawils nicht mehr am Gürtel. Er hatte, gleich nachdem die Tuareg den Ford Bronco umringten, das Sitzpolster aufgeschlitzt und den Krummdolch zwischen die Spiralfedern geschoben. Die ungefüge Reiterpistole lag unter dem Vordersitz.
Sie war nicht so leicht als das Eigentum Omar ben Tawils zu erkennen. Aber den mit Silber verzierten Kumiat seines Neffen hätte Abd el Malek sicher identifiziert.
Zamorra verbrannte sich die Finger an dem glühendheißen Karosserieblech, als er die Heckklappe des Ford Bronco öffnete. Er kramte die Keilschrifttafeln aus dem Gepäck hervor, die Bill Fleming wieder aus seinem Rucksack herausgenommen hatte.
Die Tontafeln zeigte der Professor dem Sheik. Abd el Malek, der mit der Hälfte seiner Männer abgesessen war, betrachtete die gebrannten Tafeln mit der eingegrabenen Keilschrift.
»Du kannst das lesen, Giaur?« fragte er Zamorra.
Ein Giaur war ein Fremder. Zamorra bejahte die Frage.
»Ich, König Assurnabali, Herr des Himmels und der Erde, der Sohn Marduks und Ishtars, der Vater der Armen und der Bezwinger der Mächtigen, gebe folgendes kund«, deklamierte Zamorra aus dem Stegreif. Marduk und Ishtar zählten zu den babylonischen Göttern, und die Babylonier waren niemals durch die Wüste Sahara bis zum Plateau du Tademait vorgedrungen. Aber das wußte der Tuareg-Sheik nicht. »162 Meilen hinter den Oasen der Roten Erde, vor dem Tafelgebirge Nig-U-Rab, liegt die Stadt Tiamat, die verlassen wurde, als das Wasser versiegte. Ich, Assurnabali, der Herr der vier Himmelsrichtungen, ließ dort einen reichen Schatz in unterirdischer Schatzkammer für meine Nachfahren zurück. Für jenen fernen Tag, an dem die Quellen von Tiamat wieder sprudeln und ihre Bäche zu fließen beginnen, an dem die Stadt in der Wüste zu neuem Leben erwachen wird. Dies schreibt Assunabali im 14. Jahr seiner Herrschaft, im Jahr der Schlangengöttin, als der große Komet fiel.«
»Wiederhole den Text, Giaur«, verlangte der mißtrauische Sheik.
Zamorra, der ein ausgezeichnetes Gedächtnis hatte, tat es wortgetreu. Damit war Abd el Malek überzeugt. Er zerschlug die Tontafeln, die er für völlig nutzlos hielt, auf dem Boden der Steinwüste und ließ seine Männer den Ford Bronco ausräumen.
Die Tuareg warfen das Gepäck heraus und durchstöberten es. Sie nahmen alles an sich, was sie gebrauchen konnten, und verstauten es auf den Lastkamelen oder in ihren Satteltaschen. Ein Targi behielt den Wanderstab Ibn Osmans. Abd el Malek kassierte das Geld und Zamorras Colt Diamondback samt Munition.
Auch den Magiekoffer nahm er an sich und hängte ihn an den Sattelknauf. Ein Tuareg brachte die doppelläufige Reiterpistole, die er unter dem Vordersitz gefunden hatte, und zeigte sie Abd el Malek.
Der Kumiat war unentdeckt geblieben.
»Das ist ein Souvenir«, sagte Zamorra und deutete mit den gefesselten Händen auf die Reiterpistole. »Wir haben es in Beni Abbes im Soukh gekauft.«
Abd el Malek erkannte die Reiterpistole nicht. Er überließ sie dem Mann, der sie gefunden hatte. Was sie nicht interessierte, warfen die plündernden Tuareg einfach weg.
Nun befahl der Sheik den Aufbruch. Zwei seiner Männer gossen die Reservekanister über den Ford Bronco und das am Boden verstreute Zeug aus.
Sie öffneten den Tankverschluß und schütteten Benzin darüber.
»Sie wollen den Wagen einfach verbrennen!« entrüstete sich Bill Fleming. »Das sind vielleicht Sitten in dieser Gegend. Ich dachte, die Tuareg sind schon seit Jahrzehnten befriedet?« – »Erzähl ihnen das mal, Bill«, sagte Nicole Duval. »Dieser Sheik Abd el Malek gefällt mir gar nicht. Er hat so etwas Finsteres und Unheimliches an sich.«
»Mit dem möchte ich auch nicht am gleichen Stammtisch sitzen«, brummte Bill Fleming. »Ein richtiger Finsterling ist das. Aber noch ist die Pokerpartie nicht verloren, solange ich ein falsches As im Ärmel habe, pflegte mein Großvater immer zu
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