0138 - Flucht in die Schädelwelt
sprach, als wäre er beim Militär. Vielleicht hatte er auch mal gedient.
Cecil Turner kam der Aufforderung nach. Der Lampenstrahl folgte ihm und blendete noch immer. Als Turner stand, wurde er zur Seite geschwenkt und warf dann einen Kreis auf den Boden.
Er leuchtete die Kassette an.
Der Mann pfiff durch die Zähne. »Was haben wir denn da?« murmelte er. »Das ist ein Ding.«
Jetzt hat er den Schädel gesehen, dachte Turner. Das gibt’s nicht.
Welche Erklärung soll ich geben?
Er schaute sich den Mann an. Genau konnte er ihn nicht erkennen, aber er war größer als er. Und er trug einen langen Regenmantel, der vor Feuchtigkeit glänzte. Ein Arm lag locker am Körper, das bewies, daß der Aufpasser keine Waffe in der Hand hielt. Nur die Lampe. Cecil Turner hatte seinen ersten Schreck überwunden, und er überlegte, ob er den Spieß umdrehen konnte.
Dazu mußte er den anderen überwältigen. Das war leichter gesagt, als getan. In seinem Leben war er bisher jeder körperlichen Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen.
Aber das erste Leben schien lange, sehr, sehr lange zurückzuliegen. Jetzt hatte sich einiges geändert.
»Woher hast du das?« fragte der Wärter überflüssigerweise, obwohl er genau das geschaufelte Loch sah.
»Das sehen Sie doch.«
»Werde nur nicht frech, Bursche.« Der Mann schnaufte. »Lügen kann ich nicht vertragen.«
»Ich habe es ausgegraben.«
»Und warum?«
»Das verstehen Sie doch nicht.«
»Aber die Polizei, die wird es verstehen, Bursche. Da wirst du dein Maul schon aufmachen, das schwöre ich dir. Solche Typen haben wir gern, die die Ruhe der Toten stören.«
Cecil hob nur die Schultern. Was sollte er auch sagen? Der andere würde ihm doch nicht glauben.
»Einen Totenkopf«, murmelte der Mann. »Und dazu noch einer, dessen Augen schimmern. Was wolltest du überhaupt mit diesem Schädel?«
»Das geht Sie nichts an!«
Der Friedhofswärter holte überrascht Luft. »Frech werden auch noch, wie?«
Cecil Turner wußte selbst nicht, woher er den Mut genommen hatte. Aber er konnte sich hier nicht so einfach fertigmachen lassen.
Schließlich hatte man ihm eine Aufgabe gestellt, die er auch lösen wollte. Vor der schönen Frau wollte und durfte er sich nicht blamieren. Dieser Kerl sollte ihn nicht aufhalten.
Plötzlich war wieder die Stimme da. In seinem Hirn hörte er die weiche, aber dennoch fordernde Stimme, die wie eine Lockung durch seinen Geist strömte.
»Laß dir nichts gefallen, Cecil. Das hast du gar nicht nötig. Du bist besser und stärker als er. Mit mir zusammen sind wir ein unschlagbares Paar. Konzentriere dich jetzt auf ihn, und gib ihm kontra. Auch mit Gewalt.«
Früher hätte der letzte Satz den Mann erschreckt. Heute jedoch nicht. Jetzt war die Gewalt ein Teil seiner Argumente.
Der Wärter nickte. Er gab sich gegenüber dem frisch auf der Tat Ertappten als erhaben. »Wir gehen jetzt, Bursche. Und diese komische Kassette nimmst du mit.«
Cecil Turner nickte.
»Los, worauf wartest du noch. Geh den Weg wieder zurück. Ich sperre dich so lange in die Leichenhalle ein. Dort liegt nur ein Toter.« Er kicherte. »Ich hoffe, du hast vor der Leiche keine Angst. Bisher hat sie noch nicht gebissen.«
Turner hob die Schultern. Was sollte er auch anders machen?
Aber da war wieder die Stimme.
»Laß dir nichts gefallen!«
»Nein, nicht«, murmelte Turner.
»Was sagst du?«
»Ich habe mit mir selbst gesprochen, Mister.«
»So siehst du auch aus.«
Cecil Turner lächelte und ging einen Schritt auf den Wärter zu.
Dann blieb er stehen und bückte sich, dabei tat er, als wollte er die Kassette hochheben.
Sie stand neben dem Rand der Grube. Über ihn hinaus ragte noch der Stiel des Spatens.
Ein böses Lächeln umspielte die Lippen Turners. Er holte noch einmal tief Luft, gab sich einen innerlichen Ruck und umfaßte anstatt der Kassette den Spatengriff. Mit einer wilden Kraftanstrengung riß er den Spaten aus der Grube und kreiselte herum.
»Was… was ma …« Der Friedhofswärter war entsetzt, als er den vermeintlichen Grabschänder auf sich zustürmen sah.
Turner hielt den Spaten mit beiden Händen umklammert. Das Blatt zielte auf die Körpermitte des Mannes.
Der kam nicht so schnell weg. Er wollte sich zwar noch zur Seite werfen, doch er war zu langsam.
Er spürte die Berührung, hörte einen wilden Schrei, und im nächsten Augenblick überschwemmte ihn der grauenvolle Schmerz. Mit einem Wehlaut auf den Lippen sank er zu Boden, wo er verkrümmt
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