0138 - Flucht in die Schädelwelt
wirst es schon sehen.«
Damit wachte er auf.
Cecil Turner war völlig durcheinander. Die Träume hatten sein Gleichgewicht gestört. Er fühlte sich nach dem letzten nicht mehr fähig, zur Arbeit zu gehen.
Er blieb zu Hause und dachte einen ganzen Tag darüber nach.
Diese Träume kamen nicht umsonst, sie mußten einfach etwas zu bedeuten haben. Turner war in eine Buchhandlung gegangen und hatte sich Bücher über Traumdeutung gekauft. Seinen Fall fand er nicht.
Er war auf die nächsten Nächte gespannt, doch der Traum wurde nicht fortgeführt.
Aber er hörte die Stimme.
»Denk an den St. Henry Cemetery und an den Kreuzweg. Du mußt dort graben.«
Die Stimme war immer da. Selbst an seinem Arbeitsplatz. Er konnte sich nicht mehr konzentrieren, machte Fehler und wurde zum Chef gerufen. Dort bekam er einen Anschiß.
Daraufhin nahm er seinen Resturlaub. Er vergrub sich zwei Tage in seiner Wohnung.
Die Stimme ließ nicht locker. Sie bedrängte ihn regelrecht, und Turner entschloß sich, dem Drängen endlich nachzugeben.
Er fuhr hin.
Hinter ihm hupte jemand. Das Geräusch riß Cecil Turner aus seinen Gedanken. Die Ampel war längst umgesprungen. Der Regen hatte zugenommen. Die schweren Tropfen klatschten so schnell hintereinander gegen die Scheibe, daß die schmalen Wischer kaum nachkamen.
Naß glänzte die Straße. Das faulige Laub klebte jetzt auf dem Asphalt. Dort bildete es gefährliche Rutschbahnen für die Autofahrer.
Langsam rollte der kleine Wagen über die Kreuzung. Der andere Autofahrer bog rechts ab.
Cecil Turner war wieder allein.
Ein wenig fürchtete er sich schon. Er hatte keine direkte Angst, aber doch Unbehagen vor dem Ungewissen. Als der Weg eine Kurve machte und er sie zu scharf nahm, rutschte der Spaten, den er mitgenommen hatte, vom Rücksitz.
Schließlich konnte er nicht mit bloßen Händen graben.
Das Schild hätte er fast übersehen.
Henry Cemetery Er mußte scharf links ab. Der Weg war nur schmal, kaum zu sehen und zu beiden Seiten durch hohe Gitter begrenzt. Cecil sah hier schon die Einfriedung des Friedhofs.
Er fuhr noch langsamer.
Das in der Dunkelheit glänzende Dach einer Leichenhalle tauchte über den kahlen Baumwipfeln auf. Da war auch der Haupteingang.
Gegenüber befanden sich einige Parkplätze. Sie waren leer.
Cecil Turner stellte seinen Wagen dort ab und stieg aus. Sofort packte ihn der Wind und blähte seinen parkaähnlichen Mantel am Rücken wie eine Fahne auf. Er hatte ihn nicht geschlossen, das holte er rasch nach. Dann nahm er den Spaten aus dem Wagen und schaute sich erst vorsichtig um, bevor er die Straße überquerte.
Nichts rührte sich.
Nur der Wind heulte und pfiff. Seltsamerweise hatte es aufgehört zu regnen. Der Sturm bog die hochgewachsenen, schlanken Pappeln zu beiden Seiten des Eingangs. Die Bäume neigten sich durch. Man konnte meinen, sie wollten den Boden küssen.
Natürlich war der Eingang verschlossen. Damit hatte Cecil Turner gerechnet.
Er schaute sich die dicken Mauern an und sah das Tor. Ein schmiedeeisernes Gebilde, kunstvoll angefertigt. Über dem Rand wuchsen Spitzen hervor, die Cecil an Lanzen erinnerten.
Er traute sich nicht, dort hinüberzuklettern.
Aber es gab noch eine Seitenpforte, ein kleines Törchen, in der Mauer war es kaum zu sehen.
Und das war offen.
Cecil atmete auf. Er mußte die Tür gegen den Wind stemmen und betrat das Gelände des Friedhofs. Die Klinke rutschte ihm aus der Hand, und die kleine Tür knallte so wuchtig zu, daß Turner erschrak.
Hatte ihn jemand gehört?
Nein, wohl kaum, denn bei diesem Wetter und um diese Zeit trieb sich wohl niemand auf dem Friedhof herum.
Der Hauptweg war nicht zu verfehlen. Zudem machte der Friedhof einen gepflegten Eindruck. Er war auch erst vor zwei Jahren neu angelegt worden.
Hastig schritt Cecil Turner den mit Kies bestreuten Weg entlang.
Er hatte den Spaten in die Armbeuge geklemmt, wo er herausrutschte und mit dem Blatt über den Kies streifte. Er hinterließ dort eine breite Spur.
Der Friedhof war nicht so dicht bewachsen, wie es bei den alten der Fall war. Die Gräber lagen auf einer freien Fläche, über die der Wind pfiff.
Fahl und geisterhaft wirkten die frischen Grabkreuze der neueren Gräber. Dazwischen standen die wuchtigen Grabsteine, die, wenn das Mondlicht sie mal traf, heller schimmerten.
Kein Weg war lehmig oder schlammig. Der Kies wirkte wie ein Filter. Vorbei an den Gräbern schritt der einsame Mann den Hauptweg entlang. Einmal erschrak er heftig, als
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