0138 - Uns stand das Wasser bis zum Hals
Gefühl, als käme die Hauswand direkt auf ihn zu.
Schneller, als er es je für möglich gehalten hätte, war er mit vier anderen Streifenwagen im Hof des Grundstückes, wo das Versteck der Bolden-Gang war.
Die Cops sprangen aus den Wagen und stürmten die Bude wie kampferprobte Infanteristen. Verloren stand der Piepser auf dem Hof. Und dann dachte er plötzlich: Das wäre eigentlich die Gelegenheit, mich abzusetzen. Die Polizei stellt manchmal so enorm viel Fragen, wenn man sie erst dazu kommen lässt. Es gibt noch andere Gangs, wo ein erfahrener Mann gebraucht wird.
So kam es, dass von allen in diese Geschichte verwickelten Leuten nur der Piepser nicht mit dem Leben bezahlte oder verurteilt wurde. Ich muss allerdings ehrlich zugeben, dass wir später auch - rein versehentlich natürlich - nicht nach ihm fahnden ließen…
***
»Na, Kleiner, was ist denn mit dir los?«, fragte der Streifenpolizist Benjamin Curley und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Der Junge saß keine zwei Zoll vor der vorderen Stoßstange auf der Straße. Er bebte am ganzen Körper. Aus einer Stirnwunde und einer Wunde am Knie, die wie ein langer Schnitt von einer Glasscherbe aussah, lief Blut.
Benjamin Curley beugte sich zu dem Jungen nieder. Erst jetzt sah er, dass der Junge am ganzen Körper zitterte, vor Entsetzen weit aufgerissene Augen hatte und unartikulierte Laute schluchzte.
Ben Curley schob es auf die Aufregung wegen des Wagens, den er nur mit größter Mühe noch vor dem Jungen hatte stoppen können.
Er wandte sich an die Umstehenden, die wie immer in solchen Fällen bereits eine kleine Ansammlung bildeten.
»Kennt jemand von Ihnen den Jungen? Weiß jemand, wer seine Eltern sind?«
Ratlose, verneinende Gesichter, wohin er sah.
Inzwischen war sein Kollege, der den kleinen Zwischenfall ordnungsgemäß in ihr Streifenbuch eingetragen hatte, ebenfalls ausgestiegen. Er zupfte Benjamin Curley am Ärmel.
»Ja?«, fragte Ben.
Der Kollege beugte sich zu ihm und raunte: »Sag mal, waren da vorhin, kurz bevor uns der Junge vor den Wagen lief, nicht irgendwo Schüsse zu hören?«
Curley nickte.
»Ich meine, ich hätte auch so etwas gehört. Aber wo?«
Sie lauschten.
Autohupen, rufende Kinder, irgendwo in den benachbarten Häusern ein laut dudelndes Radio, der ganze Lärm einer morgendlichen Straße in dem Ameisenhaufen Manhattan drang an ihr Ohr.
Von Schüssen war nichts mehr zu hören.
»Sinnlos«, sagte Curley. »Wir zwei können nicht das ganze Viertel absuchen. Wir müssen uns darauf verlassen, dass jemand aus der Nachbarschaft schon die Polizei anrufen wird, wenn es wirklich irgendwo geknallt haben sollte.«
Wieder beugte er sich zu dem Jungen hinunter. Eine Frau aus der Gruppe der Neugierigen rief aufgeregt: »Der Junge ist ja völlig erledigt mit seinen Nerven, Wachtmeister! Wenn Sie mich fragen, ich sage Ihnen, dass der Junge kurz vor einem Nervenzusammenbruch steht!«
»Sie können recht haben«, nickte Ben. »Los, wir bringen ihn schnell zum Revier. Da kann sich der Revierarzt um ihn kümmern. Wenn er ein bisschen ruhiger geworden ist, sagt er uns vielleicht seinen Namen und seine Adresse, damit wir ihn nach Hause bringen können.«
»Das wird das beste sein«, meinte der Kollege.
Behutsam hoben sie den Jungen auf und nahmen ihn zwischen sich auf die vordere Sitzbank ihres Streifenwagens. Benjamin Curley redete beruhigend auf das Kind ein, aber der Ausdruck blanken Entsetzens wollte nicht aus dem kindlichen Antlitz verschwinden. Es war, als hätte der Junge die Sprache verloren.
So kam es, dass eine Frau damit erpresst wurde, dass sich ihr Junge in den Händen von Gangstern befände, während er in Wirklichkeit bereits bei der Polizei in Sicherheit war. Der ganze, groß angelegte Coup der Bande, die Frederick Cennedy aufgespürt hatte, wäre ins Wasser gefallen, wenn ein kleiner Junge früh genug hätte sprechen können. Aber das Entsetzen schloss ihm den kindlichen Mund so lange, bis alles zu spät war…
***
Der Gangster namens Dicky, dessen vollen Namen nicht einmal Melec kannte, war mit den neun Leuten der Bolden-Gang an seinem Ziel eingetroffen.
Sie befanden sich im Hausflur eines sechsstöckigen Hauses, das bis unters . Dach mit verschiedenen Büroräumen vollgestopft war. Hier herrschte ein ständiges Kommen und Gehen, sodass die Anwesenheit einer großen Gruppe von Männern überhaupt nicht auffallen konnte.
»Wir müssen hinauf in den zweiten Stock«, sagte Dicky und ging den anderen voran
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