0139 - 200 Minuten um Leben und Tod
dem Eindringen der Gangster noch keine fünf Sekunden vergangen.
In diesem Augenblick ging im hinteren Zimmer das Theater los.
***
Daisy Leaven hielt ihren Mercury an der Tankstelle an, wo sie immer zu tanken pflegte.
Der junge Tankwart, ein aufgeweckter Bursche von etwa sechzehn Jahren, kam eilfertig herbei. Er hegte eine heimliche, schwärmerische Verehrung für die junge Reporterin in seinem Herzen, und meistens wurde er rot, wenn sie ihn ansprach.
So war es auch dieses Mal, als Daisy Leaven ausstieg und ihm freundlich zuwinkte.
»Hallo, Joe! Hast du Zeit für meinen alten Super-Vorkriegswagen?«
»Aber gewiss, Miss Leaven! Was darf’s denn sein?«
»Auftanken und die Reifen kontrollieren. Ach, und dann sieh doch mal im Kofferraum nach, was da ewig so klappert!«
»Gern, Miss Leaven! Sofort!«
Er machte sich an seine Arbeit, während Daisy die Straße überquerte, um in einem nahen Café eine Tasse Tee zu trinken. Sie war in England aufgewachsen und hatte von dort das Teetrinken als heilige Zeremonie mitgebracht.
Unterdessen kümmerte sich der Junge um den Wagen.
Als er den Kofferraum öffnen wollte, fielen ihm die Kratzer am Schloss auf.
Komisch, dachte er. Die waren doch letztens noch nicht dran? Ich möchte nur wissen, wie sie die Kratzer zustande gebracht hat! Sie hat doch einen ordentlichen Schlüssel für den Kofferraumdeckel! Na, wer weiß, vielleicht war es dunkel und sie konnte das Schlüsselloch nicht finden.
Er hob den Deckel hoch und sah sich um.
Der Wagenheber war mit einem Lederriemen an der Seite des Kofferraums angeschnallt, aber dieser Riemen hatten sich gelöst.
Das glaube ich, dachte er, dass da immer was geklappert hat. Gott, nein, was sind die Frauen doch manchmal unbeholfen!
Er schnallte den Wagenheber wieder fest und wollte schon den Kofferraumdeckel wieder schließen, als ihm ein leises Geräusch auffiel.
Er streckte den Kopf vor und lauschte.
Kein Zweifel! Irgendwo im Innern des Kofferraums tickte etwas.
Es war ein ganz schwaches, zartes Ticken, aber so leise es auch war, Joes feinem Gehör entging es nicht.
Er kniete in den Kofferraum und spähte umher.
Hinter dem Reserverad fand er einen Karton, der etwa so groß wie ein gewöhnlicher Schuhkarton war.
»Ich werd verrückt«, murmelte er. »Sie schleppt doch tatsächlich einen Wecker oder so etwas Ähnliches mit sich rum! Junge, Junge, der Teufel mag aus den Frauen schlau werden. Na, mich geht’s nichts an, und sie ist wirklich ’n verdammt nettes Mädchen.«
Er kroch rückwärts heraus und klappte den Deckel zu.
Von dem Geräusch, das seiner Meinung nach von einem Wecker stammte, sagte er nichts, als Daisy Leaven zurückkam.
Wie hätte er auch auf den Gedanken kommen sollen, dass Daisy Leaven eine Höllenmaschine mit 600 Gramm Dynamit spazieren fuhr?
***
Im hinteren Raum ratterte plötzlich eine Maschinenpistole los.
Jetzt ging es hart auf hart.
Ich sah, wie Phil von seiner Wand vorsprang und mit einem kräftigen Schlag seiner gestreckten Handkante gegen den Hals den Mann mit der Maschinenpistole niederstreckte.
»Werft eure Waffen weg! Hier sind nur FBI-Beamte!«, schrie ich.
Der Kerl, der mir am nächsten stand, warf sich herum und starrte verdutzt zu mir. Seine Pistole streckte er zögernd ein Stück vor.
Ich ließ meinen erhobenen rechten Arm in einer kreisförmigen Bewegung herunterfallen. Er warf den Pistolenarm des Gangsters zur Seite. Zwar löste sich noch ein Schuss, aber die Kugel klirrte durch das Milchglas des Fensters, ohne weiteren Schaden anzurichten.
Dann hatte ich seinen rechten Arm gepackt, riss ihn hoch, zog ihn mit Schwung wieder herunter und knallte sein Handgelenk auf meine entgegenkommende Kniescheibe.
Mit einem schrillen Schmerzensschrei ließ er seine Pistole fallen. Ich ließ den Kerl ebenso schnell los, holte aus und verpasste ihm einen geraden Haken, der ihn ein paar Meter zurückwarf, wo er gegen die Barriere stürzte und mit verdrehten Augen zu Boden ging.
Mit einem Blick übersah ich die Situation.
In der Ecke neben dem Fenster sah ich die seltsamste Szene meines Lebens.
Der Gangster war in die Ecke gedrückt. Er hielt den Kopf gesenkt und starrte auf den gekrümmten Zeigefinger einer FBI-Kollegin, die ihm ihre Dienstpistole in die Rippen drückte.
Aber auch sie hielt den Kopf gesenkt und starrte auf seinen gekrümmten Zeigefinger. Denn auch er drückte ihr die Pistolenmündung gegen den Körper, und zwar wenige Zentimeter unterhalb ihres linken
Weitere Kostenlose Bücher